Riskant wie das Leben

Kein Scherbenhaufen: In der Krypta des Sankt-Petri-Domes zeigt Anne Baisch eine Welle von Glasscheiben. Genezareth heißt die Installation

Betritt man in den nächsten zehn Tagen die Ostkrypta des Sankt-Petri-Domes, kommt einem eine riesige Welle von Glasscheiben entgegen: „Genezareth“ nennt die Bremer Bildhauerin Anne Baisch ihre Bodeninstallation.

1990 bereits hatte sie die zerbrechliche Skulptur unter dem Titel „Gläserner Fluss“ im Gerhard-Marcks-Haus und 1992 in Ladenburg ausgestellt. Noch nie aber war sie in einem Kirchenraum zu sehen. Obwohl sie für den eigentlich konzipiert ist.

Beim Aufbau probiert Anne Baisch verschiedene Lichtquellen aus, die immer andere Perspektiven auf die Glasscheiben zulassen: Mal spiegelt sich der Zuschauer in ihnen, mal wird er hineingezogen in ein irisierendes Spiel mit geraden, weiß-schwarz-grünen Linien, mal stellt sich ein meditativer Blick auf die reine Schönheit des Elementes ein. Oder aber die Spitzen und die sich kippend-neigenden Scheiben vermitteln den Eindruck tödlicher Gefahr.

Die rechteckigen Glasscheiben stecken in Holz, die Ränder sind gebrochen und ergeben genau dadurch ihre schillernden, grünlichen Farben: „Mein Ausgangspunkt war die Geschichte aus Matthäus, in der Jesus über das Meer geht: Das geht eigentlich nicht“, sagt Anne Baisch. „Ich wollte eher Gefahr ausdrücken, als eine esoterische Zerbrechlichkeit. Und ich wollte etwas verwirklichen, das riskant wie das Leben ist.“

„Zuversicht und Zweifel“ sind weitere Begriffe für den von den InitiatorInnen der Thomas-Messe jetzt in Auftrag gegebenen Aufbau, den größten bisher. Viele Materialien, mit denen Anne Baisch arbeitet, lassen den Klang zu: „Zum Beispiel habe ich beim Aluminium den Klang erst entdeckt, als ich die Sachen auf einem Lastwagen transportierte.“

Auch hier könnte es zu vibrierenden Klängen der Glasscheiben kommen, wenn nämlich am Eröffnungstag um 19 Uhr die Blockflötistin Dörte Nienstedt avantgardistische Musik spielt. Etwa das schrille und schneidende „pico“ des Komponisten Hans Joachim Hespos. „Ich mag die Härte und die Schroffheit der Flöten von Dörte Nienstedt“, sagt Anne Baisch.

Ganz in diesem Sinne wurde auch das musikalische Programm zusammengestellt: mit den Assoziationen „gläsernes Meer“, „zerbrechliches Eis“, „scharfe Kanten und Spitzen“. Vieles davon hat sich auch schon beim Betrachten der Installation eingestellt.

Ute Schalz-Laurenze

Ostkrypta des Sankt-Petri-Domes. Eröffnungskonzert mit Dörte Nienstedt: heute, 19 Uhr