: Mehr Foto als Fingerabdruck
Die Liberalisierung der DNA-Analyse ist vorerst gescheitert. Warum hat die Rhetorik der CDU/CSU nicht verfangen?
Die Innenpolitiker von Union und SPD versuchten es mit einer rhetorischen Gleichsetzung. Die DNA-Analyse enthalte genauso wenig persönlichkeitsrelevante Informationen wie ein normaler Fingerabdruck. Beide dienten nur der Überprüfung, ob eine Tatortspur von einem konkret Verdächtigen oder einer anderen polizeibekannten Person stammt. Deshalb könnten die „bürokratischen“ Hürden bei der DNA-Analyse abgesenkt werden.
Bürgerrechtler halten dem die Aussagen von Biologen entgegen, wonach die beim genetischen Fingerabdruck angewandte Technik durchaus Rückschlüsse auf persönliche Merkmale zulasse. Was ist nun richtig?
Klar ist, dass die DNA-Analyse im nicht codierenden Teil des Genoms angewandt wird. Das sind die rund 96 Prozent des Erbmaterials ohne lesbare Erbinformationen. „Dort suchen wir bestimmte Merkmale und zählen dann, wie oft hintereinander sie vorkommen. Wenn man diese Zählung mit unterschiedlichen Merkmalen auf verschiedenen Chromosomen macht, bekommt man eine zwar einmalige, aber nichts über den Körper der Person aussagende Zahlen-Zusammenstellung“, erklärt Mark Benecke, ein Sachverständiger für biologische Spuren.
Derzeit werden bei einer DNA-Analyse in der Regel 12 solche Merkmalsysteme untersucht. 8 davon werden in der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes gespeichert, wenn Richter dies erlauben. Der genetische Fingerabdruck ist faktisch eine Formel wie diese: SE 33: 19/20,2 – D 21 S 11: 28/32 – VWA: 16/17 – TH 01: 7/9,3 – FIBRA: 21/25 – D 3 S 1358: 12/14 – D 8 S 1179: 11/15 – D 18 S 51: 21/23. Die 8 Merkmale werden dabei jeweils mit 2 Zahlen beschrieben. Scheinbar ganz diskret.
Persönlichkeitsrelevante Informationen werden aber im Zusammenhang mit zwei Chromosomen-Unregelmäßigkeiten bekannt. Das gilt erstens, wenn die Polizei ein Merkmal auf dem nicht codierenden Bereich des männlichen Y-Chromosoms sucht. Dann wird sie logischerweise nur fündig, wenn die Spur von einem Mann stammt. Der Test enthält also eine versteckte Geschlechtsbestimmung. Zweiter Fall: Wenn die Polizei ein Merkmal auf Chromosom 21 sucht und dieses dann dreimal vorhanden ist, dann liegt wohl auch das Chromosom dreimal vor und die Spur gehört zu einem Menschen mit Trisomie 21 (Mongoloismus).
Außerdem wird noch versucht, die Häufigkeit bestimmter Muster im nicht codierenden Bereich mit statistischen Methoden bestimmten Herkunftsregionen (und etwa der Hautfarbe) zuzuordnen – mit „extrem hohen Fehlerquoten“, wie Experte Mark Benecke betont.
Immerhin gehen die polizeilichen Möglichkeiten beim genetischen Fingerabdruck deutlich über die beim Fingerabdruck mit Stempelkissen hinaus. Spricht das jedoch zwingend gegen eine erleichterte Anwendung der DNA-Analyse? Nein, denn niedrigere Anforderungen gelten ja auch für ein Polizeifoto, obwohl dort viel mehr Merkmale (Haut-, Haar- und Augenfarbe, Körpergröße, Kleidungsstil) festgehalten werden.
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach arbeitet deshalb bereits an einer neuen rhetorischen Figur: „Wer Polizeibilder routinemäßig als Fahndungsmittel zulässt, kann nicht die DNA-Analyse als Routinemaßnahme ablehnen.“ Darauf haben die Bürgerrechtler noch keine Antwort.
CHRISTIAN RATH