: „Wer helfen darf, ist eine Frage der Macht“
Rüdiger Ehrler, Projektleiter der Deutschen Welthungerhilfe in Jordanien, zu Bedingungen humanitärer Arbeit vor Ort
taz: Herr Ehrler, seit wann ist Ihre Organisation in Jordanien?
Die Deutsche Welthungerhilfe ist am 10. Januar nach Jordanien gekommen, um zu sondieren, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt, wenn im Falle eines Krieges Flüchtlinge hierher kommen.
Welche Maßnahmen haben Sie bislang getroffen?
Wir haben erst mal eine zehntägige „Fact Finding Mission“ unternommen. Anschließend sind wir nach Deutschland zurück und haben geschaut, ob wir Gelder mobilisieren können. Dabei haben wir aber festgestellt, dass von den klassischen Kofinanzierern wie etwa Entwicklungsministerium, Auswärtiges Amt oder Europäische Union momentan kein Geld zu erwarten ist. Die politische Sprachregelung hatte ja vorgesehen, dass dieser Krieg nicht stattfinden darf, man sich also auch nicht darauf vorbereiten darf. Ähnlich lief es hier in Jordanien: Man hat lange so getan, als würde es ein Flüchtlingsproblem nicht geben – um nicht denjenigen Argumente an die Hand zu geben, die den Krieg befürworten. Die würden ja sonst sagen: Auch die Helfer bereiten sich doch schon auf den Krieg vor – dann müssen wir ihn auch machen. Für uns hatte das zur Folge, dass wir keine Drittmittel bekommen haben. Also mussten wir mit relativ bescheidenen Eigenmitteln von 30.000 bis 40.000 Euro auskommen.
Wofür haben Sie das Geld eingesetzt?
Wir halten 20.000 Tagesrationen bereit: Nahrungsmittel, die wir hier vor Ort kaufen und die nicht erst gekocht werden müssen. Dazu Trinkwasser, und zwar für diejenigen, die als Erste an der Grenze eintreffen. Damit können wir zwischen drei und sieben Tagen Menschen versorgen.
Mit wie viel Flüchtlingen rechnen Sie?
Die UNO spricht von Flüchtlingen, die Wochen oder Monate in Jordanien bleiben: um 34.000.
Dann sind sieben Tage ja nicht gerade viel. Wie geht es danach weiter?
Das Welternährungsprogramm der UNO ist dabei, größere Mengen Nahrung heranzuschaffen. Ansonsten rechnen wir damit, dass wir, sobald der Krieg beginnt, Nahrungsmittel in größerem Umfang von der Bundesregierung finanziert bekommen.
Wer baut die Infrastruktur an der Grenze zu Irak auf?
Das jordanische Ministerium für Wasserwirtschaft hat zwei 400 Meter tiefe Brunnen gebohrt. Und, da das Wasser immer noch einen hohen Salzgehalt hat, auch gleich eine Entsalzungsanlage installiert. Die haben auch Rohre gelegt, um eine Frischwasserversorgung in den Flüchtlingslagern zu ermöglichen.
Wird Jordanien dabei von ausländischen Geldgebern unterstützt?
Die Jordanier haben im letzten Golfkrieg die schlechte Erfahrung gemacht, dass sie sehr viel Eigenleistung erbracht haben, das aber letztlich niemand bezahlt hat. Diesmal, wo sie sich etwas länger auf die Katastrophe vorbereiten konnten, haben sie hart mit dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR verhandelt. Da wird noch diskutiert, in welchem Umfang die Weltgemeinschaft die Kosten übernehmen kann.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit den NGOs aus USA?
Es gibt da eine gewisse Skepsis. Wir haben zwei Lager: Die amerikanisch orientierten NGOs bekommen jetzt schon sichere Geldzusagen von USAID oder vom Office for Desaster Assistance. Die haben also schon konkrete Summen genehmigt bekommen. Wir Deutsche, die Iren und die Italiener, mit denen die Deutsche Welthungerhilfe zusammenarbeitet, aber noch nicht. Außerdem haben wir den Eindruck, dass die US-Regierung kein Vertrauen in die Wiederaufbaupläne der UNO hat. Deswegen bauen die Amerikaner im Moment eigene humanitäre Hilfsstrukturen auf. In Kuwait gibt es das Humanitarian Operation Center (HOC). Das ist eine nachgeordnete Behörde der US-Streitkräfte, dort sollen sich alle internationalen Organisationen registrieren lassen. Wer das nicht macht, darf im Irak auch keine Hilfe leisten.
Ist das nicht eine Einmischung in Ihre Arbeit?
Das ist ein juristische Frage, die von der UNO diskutiert wird. Unter dem Strich heißt es: Wer helfen darf, ist eine Frage der Macht. Die machen das einfach.
Protestiert die Deutsche Welthungerhilfe dagegen?
Wir haben ja keine Wahl. Ich habe also pro forma diesen Prozess schon mal anrollen lassen. Das Visum für den Irak muss man nicht mehr bei der irakischen Botschaft beantragen, sondern beim HOC. Bis jetzt habe ich aber noch kein Visum.
Auch US-Soldaten wollen als Helfer auftreten.
Es gibt so genannte Desaster Assistance Teams, die in Wirklichkeit der Armee angehören. Die haben angekündigt, unmittelbar nach den Truppen und CNN in den Irak zu kommen. Das ist eine Art der Dominanz, die man bisher so noch nicht kennen gelernt hat. Aber das resultiert halt aus den Machtverhältnissen.
Wer hilft den Opfern noch?
Wir haben Kontakte mit dem UN-Welternährungsprogramm, aber wegen der Behinderungen der USA ist noch nicht geklärt, ob und wann das Welternährungsprogramm in den Irak kann.
Sie sind also trotz der Behinderungen bereit?
Wenn wir das nicht wären, stünden wir im Widerspruch zu unseren Überzeugungen. Wir werden den Flüchtlingen auf keinen Fall die Hilfe versagen.
INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN