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Archiv-Artikel

„Spar Wars“ mit gespitzter Zunge

Auf dem Papier ist in der Linguistik an der Bremer Uni alles in Ordnung. Die Realität aber sieht anders aus. Das brachte ein verbaler Schlagabtausch ans Licht, den ein Grüppchen Studierender durch die Besetzung des Rektorats erzwingen konnte.

Bremen taz ■ Mittag an der Bremer Uni: Das Streikbüro ist verwaist. Die Moral der Studierenden im Kampf gegen den Bildungsabbau scheint langsam zu sinken. Michael bestätigt das seufzend. Die Streikzentrale sei nur noch sporadisch besetzt. Resigniert hat der Psychologiestudent indes noch nicht. Er ist nur müde. Drei Stunden Schlaf mussten in der Nacht zum Donnerstag ausreichen. Die hat er gemeinsam mit 18 Kommilitonen im Rektorat zugebracht, um den Linguisten den Rücken zu stärken.

Der Protest ist omnipräsent. Beschriebene Laken blähen sich im Wind, ein Galgen steht auf dem Campus. Motto: „Lasst euch nicht hängen.“ Stichproben zeigen allerdings, dass etliche Studierende nicht über die Aktionen der Streikenden im Bilde sind. Trotz eigens eingerichteter Homepage – von der Rektoratsbesetzung wissen längst nicht alle. Anders ein junger Mann, der anonym bleiben aber nicht darauf verzichten möchte, sich über die „19 Deppen“ zu amüsieren, die im Verwaltungsgebäude nächtigten. Solidarität klingt anders. Die aber könnte man in der Linguistik brauchen. Die Zustände, gegen die sie rebellieren, sind katastrophal. 434 Studierende müssen sich mit 1,5 Lehrstellen zufrieden geben. Ein Weggang des Dozenten Thomas Stolz könnte das faktische Aus für den Studiengang zum kommenden Sommersemester bedeuten.

Keine Aktion ohne Slogan: „Spar Wars“ prangt es über der Tür zum Verhandlungszimmer, wo die Besetzer sich Wortgefechte mit Rektor Müller, Konrektor Reinhard Fischer und Dekanin Elisabeth Lienert liefern. Ein überdimensionaler Rotstift ist auf die Offiziellen gerichtet, ansonsten übt man sich in Diskussionskultur, versucht, sich ausreden zu lassen. Das bereitgestellte Megafon darf schweigen. Dabei ist der Unmut groß, der Lienert entgegenschlägt, als sie Sachzwänge ins Feld führt. Zu lange haben nüchterne Zahlenspiele die Missstände verschleiert. Ein Beispiel: Noch am Mittwoch verkündete die Pressestelle des Rektors vollmundig, es gebe vier, nicht 1,5 Dozenten im Fachbereich. Auf dem Papier werden der Anglist John A. Bateman und der Romanist Hans Peter Krings mit eingerechnet. „Der ist für 700 Romanisten zuständig“, ereifert sich Linguistikstudent Boris. „Da kann er nicht auch noch Seminare für uns anbieten“. Auch die auf vier Semester-Wochenstunden beschränkte Juniorprofessur könne keine volle Stelle ersetzen. „Immerhin werden die Probleme jetzt endlich beim Namen genannt“ zeigt sich Vivienne mit dem Ergebnis der Besetzung zufrieden. Auch Michael atmet auf. Das erste Ziel – die Erzwingung einer offenen Diskussion – ist erreicht, die Besetzung aufgehoben. Zeit, den Schlaf nachzuholen. Am Montag ist schließlich wieder Demo. Christoph Kutzer