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Archiv-Artikel

Das große Vätervergnügen

Weil Frauen in puncto Familie meist das Sagen haben, fehlt es getrennt lebenden Teilzeitpapis an sozialen Netzwerken, sagen Väterverbände – und bringen die armen Papis zusammen

VON JOHANNES GERNERT

Es gibt auch Väter wie Alex Reich, der aus Weißensee gekommen ist. Er sitzt auf einer der bunten Bänke am Lagerfeuer, mitten auf dem Abenteuerspielplatz Forckenbeckplatz. Sein Sohn bringt einen langen Stock mit einer Teigwurst an der Spitze. Reich drückt ein bisschen darauf herum und schickt den Sohn noch mal ans Feuer, weiterrösten. Er sei, sagt Reich, ein „stinknormaler Familiendaddy“ mit zwei Kindern – und einer Frau. Und die hat ihn nach Friedrichshain auf den Spielplatz geschickt, zu dieser Veranstaltung, die den Titel „Papas treffen Papas mit ihren Kindern“ trägt. Er suche nicht unbedingt nach „Väter-Connections“, sagt Reich. Er komme schon zurecht. Sein Sohn bringt wieder den Stock. Reich zieht an der Teigwurst, die an den meisten Stellen goldbraun geworden ist, schaut auf das zähflüssige, helle Ende und zeigt noch einmal in Richtung Feuer. Er ist hier als Familiendaddy in der Minderheit. Bei den meisten anderen Vätern ist das alles komplizierter. Deshalb haben verschiedene Väterverbände zu diesem Papa-Treff eingeladen.

Am Feuer kniet Reinhard Vogt. Er hält zusammen mit seinem drei Jahre alten Sohn Emil einen Stock fest und erklärt einem anderen Kind, das neben ihm am Feuer kauert, dass Dreck den Magen reinigt. Vogt schmiert ein wenig schwarzen Dreck auf den Teig. Er hat einen blauen Wollpulli an, um seinen Hals baumelt eine Spiegelreflex-Kamera. Reinhard Vogt ist 31 Jahre alt und nicht Familiendaddy, sondern Umgangsvater. Ein etwas irreführendes Wort, das vor allem bedeutet, dass er seinen Sohn nur zu ganz bestimmten Zeiten sieht, weil er das Sorgerecht nicht bekommen hat. Umgangsväter haben meist sehr begrenzten Umgang.

Vogt sieht seinen Sohn alle 14 Tage am Wochenende und an Donnerstagnachmittagen für ein paar Stunden. Er findet das alles sehr traurig und anstrengend. Die Donnerstage sind eine einzige Hetzerei. Wenn er Emil abends zur Mutter bringt, muss der schon gegessen haben. So sind die Regeln. Mittlerweile hat Vogt es so eingerichtet, dass er bei Freunden im Haus der Mutter mit dem Sohn zu Abend isst. Dann klappt es zeitlich gerade so. Er hat noch ganz gute Kontakte zu ihrem alten Freundeskreis.

Bei vielen anderen Trennungsvätern sei das wesentlich schwieriger, sagt Michael Stiefel. Er hat es vor zehn Jahren selbst erlebt, als seine Ehe auseinanderging und er anschließend kaum noch Leute mit Kindern hatte, mit denen er etwas hätte unternehmen können, wenn seine Tochter am Wochenende bei ihm war. Die Kinderkontakte hatte irgendwie die Mutter behalten, so kam es ihm vor. Stiefel fehlte das eigene Netzwerk. Deswegen hat er dann seinen Familieninfotreff in Prenzlauer Berg gegründet, wo sich seit längerer Zeit jeden Samstag Väter zum Frühstücken sehen. Außerdem hat er sich mit einigen anderen Aktivisten die „Picknick-Tours“ ausgedacht, bei der sich Wochenenderzieher zu unterschiedlichen Veranstaltungen treffen. So wie an diesem sonnigen Samstag auf dem Abenteuerspielplatz.

Der Himmel ist blau, die Bäume leuchten herbstfarben. Stiefel trägt einen grauen Pulli zum grauweißen Zottelbart und dem langen Zopf. Er freut sich, dass so viele gekommen sind. Das Konzept für die Veranstaltungsreihe würde er etwa so zusammenfassen: „Väter haben Spaß mit ihren Kindern, egal in welcher Lebensform sie sich gerade befinden.“ Und weil Stiefel seit Jahren gegen das kämpft, was er als die Diskriminierung von Vätern betrachtet, sagt er auch noch: „Es gibt eine Vaterschaft jenseits von der Beziehung zu einer Frau.“ Die Gesellschaft und auch die Gerichte, das ist sein Eindruck, haben das allerdings noch nicht ganz begriffen. Gefördert würden nur die Mutternetzwerke, die es in jedem Kiez gebe. Es müssen zusätzlich solche Angebote her, findet er, bei denen sich Umgangsväter austauschen können und sich eine eigene soziale Infrastruktur aufbauen, die auch hält, wenn sie nur alle paar Wochenenden genutzt wird. Die Mütter hätten da wegen ihres täglichen Kontakts ganz andere Möglichkeiten.

Es ist manchmal nicht ganz klar, ob Stiefels Kampf für Väterrechte irgendwie auch einer gegen die Mütter ist. Kinder seien in den ersten Jahren ja geradezu von Frauen umstellt, sagt er. Hebammen, Erzieherinnen, Lehrerinnen. Warum existiere kein Gleichstellungsprogramm für mehr Männer in diesen Berufen? Für männliche Rollenvorbilder. Auf dem Spielplatz heute sind Mütter prinzipiell zugelassen.

Es gehe bei der Veranstaltung auch um ein Signal, sagt Reinhard Vogt. Er will, dass sich die gesellschaftliche Meinung ändert. Er will Gerechtigkeit. Halbe-halbe, sagt Vogt. Man müsse von Anfang an von halbe-halbe ausgehen. Schließlich sei nicht nur seine Freundin, sondern auch er in Elternzeit gewesen – gleich lang. Bei der Auseinandersetzung vor Gericht habe das aber kaum noch eine Rolle gespielt. Am Ende sei immer die Mutter am längeren Hebel, sagt er. Die bekommt das Sorgerecht, lebt mit dem Kind und baut eine ganz andere Bindung zu ihm auf. Das wäre nicht so, wenn halbe-halbe gelten würde.

Dass halbe-halbe im Alltag nicht ganz einfach umzusetzen ist, hat Walter irgendwann gemerkt. Beim Brunchen sitzt er Vogt an der Bierbank gegenüber. Bei ihm hieß halbe-halbe nach der Trennung lange 3,5 zu 3,5. Sie hatten die Woche vollkommen gerecht geteilt. Die Kinder hatten Zimmer bei der Mutter und bei ihm. Aber die ständige Umzieherei schien ihm nach einer Weile nicht mehr sinnvoll. Es war zu anstrengend für den Sohn und die Tochter. Also haben sie neu aufgeteilt und für ihn blieben nur die Wochenenden übrig. Das fände er im Grunde auch in Ordnung. Jetzt allerdings kommt es ihm vor, als werde er vom Leben seiner Kinder zusehends ausgeschlossen. Die Tageseinrichtung, in der sein Sohn betreut wird, weil er ein bisschen schwierig sei, weiß nicht einmal, dass es einen Vater gibt. „Quasi so wie gemobbt“ komme ihm das vor, sagt Walter.

Ähnliche Geschichten erzählen viele der Männer, während die Kinder sich mit gepolsterten Knüppeln bekriegen, Buttons pressen, Kakao gegen die Kälte aufwärmen oder wild an einem Seil schaukeln. Ein tolles Angebot, sagt einer: „Die Kinder können spielen, die Väter lamentieren.“

In einer Ecke, neben einem Infostand mit Broschüren zu Elterngeld und Alleinerziehung, steht ein Mann und referiert sehr nüchtern, dass jemand, der Vater wird, heutzutage ein erhebliches Risiko eingeht. Mit dem Moment der Geburt werde er gewissermaßen automatisch zum Schuldner. Wenn es dann tatsächlich zur Trennung kommt, würden viele Väter nach dem verlorenen Kampf ums Kind resigniert aufgeben und als Arbeitslose enden.

Einige Meter weiter macht Stiefel gerade die Bratpfanne für die Kartoffelpuffer heiß und stellt noch einmal fest, dass es eigentlich um den Spaß gehen soll heute – auch wenn viele natürlich stark mit der eigenen Situation, dem Verhältnis zu Kind und Mutter beschäftigt seien. Es sieht auch alles nach einem ziemlich großen Spaß aus. Nicht nur beim Familiendaddy Reich. Kinder toben, Väter rennen hinterher oder warnen sanft wie Reinhard Vogt: „Du denkst dran, dass das Feuer heiß ist. Ja, Emil!“ Ein großes Vätervergnügen. Man darf nur nicht genauer nachfragen. Dann hört der Spaß auf.