: SPD streitet um das Kopftuch
Ministerpräsident Steinbrück warnt vor „ungewollter Säkularisierung“ – doch Innenminister Behrens und SPD-Fraktionschef Moron wollen das Kopftuch aus den Schulen verbannen. Grüne gegen Verbot
VON ANDREAS WYPUTTA
Im so genannten Kopftuchstreit ringt Nordrhein-Westfalens SPD-geführte Landesregierung weiter um eine gemeinsame Linie. Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) warnte am Wochenende, ein Verbot des Kopftuchs als islamistisches Symbol könne „einen unbeabsichtigten Säkularisierungsschub“ auslösen. SPD-Landesinnenminister Fritz Behrens forderte dagegen wie der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Landtag, Edgar Moron, ein Verbot: Besonders muslimischen Lehrerinnen solle das Tragen des Kopftuchs im Dienst verboten werden. Auch Schulministerin Ute Schäfer hatte sich bereits vor Wochen für ein Verbot des Kopftuchs im Staatsdienst ausgesprochen. SPD-Jugendministerin Birgit Fischer pflegt dagegen eine ähnlich liberale Interpretation wie ihr Parteifreund Wolfgang Gerhards: Der Justizminister fürchtet wie Fischer eine Radikalisierung breiter Teile der muslimischen Bevölkerung – ein Verbot könnte als Affront aufgefasst werden.
Ausgelöst hatte die Auseinandersetzung das so genannte Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts: Die Karlsruher Richter hatten auf Klage der in Kabul geborenen deutschen Lehrerin Fereshda Ludin geurteilt, der Staat könne seinen Bediensteten das Tragen des Kopftuchs im Dienst verbieten, wenn dies ein Landesgesetz so regele. Die SPD-Landtagsfraktion hatte daraufhin ein Gutachten des Berliner Verwaltungswissenschaftlers Ulrich Battis angefordert.
Das Ergebnis der Expertise: Weltanschauliche Symbole sind zu verbieten, wenn Störungen des Schulfriedens zu erwarten sind. Die Angst des Ministerpräsidenten: Ein Verbot des Kopftuchs könnte wegen des Gleichbehandlungsgebots des Grundgesetzes auch christliche Symbole aus dem Staatsdienst verdrängen. Auf die „christliche Prägung und das christliche Erbe unserer Kultur“ müsse Rücksicht genommen werden, so Steinbrück bei einer Tagung der evangelischen Kirche. Die Neutralitätspflicht des Staates dürfe nicht „im Sinne eines Laizismus“ umgesetzt werden – wird muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuchs untersagt, dürften in öffentlichen Schulen auch keine Nonnen mehr mit den zu ihrer Tracht gehörenden Hauben auftreten. Schlichte Kreuze dürften aber als Schmuck gelten, betont das Schulministerium.
Die Grünen scheinen sich dagegen auf eine gemeinsame Linie geeinigt zu haben: Ein neues Gesetz sei nicht nötig, so die Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann. Es bestehe die Gefahr eines Verbots aller religiösen Symbole in der Öffentlichkeit.