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Archiv-Artikel

Provinz Basra: Der Fluch ihrer strategischen Bedeutung

Der äußerste Süden Iraks war in der Geschichte zahllose Male heiß umkämpft. Seit dem Krieg mit dem Iran sind die Städte völlig heruntergekommen

AMMAN taz ■ Seine strategische Bedeutung war schon immer der Fluch des äußersten Süden. Wenn jetzt britische und US-Panzer die flache Landschaft durchpflügen, ist es nicht das erste Mal, dass das Gebiet zwischen der Halbinsel Fao, dem Hafen Umm Kasr und der drittgrößten irakischen Stadt Basra einen Krieg erlebt. Über den Hafen von Basra kam einst die britische Kolonialarmee ins Land, später zählte das Gebiet zu den blutigsten Schauplätzen des acht Jahre dauernden iranisch-irakischen Krieges. Nur zwei Jahre, im Sommer 1990, darauf waren hier die irakischen Truppen versammelt, um von dort in das benachbarte Kuwait einzufallen und wenige Monate später vor den US-Bomben in Richtung Bagdad zu fliehen.

Auf der Halbinsel Fao, die jetzt von britischen Truppen erobert sein soll, hatten ab Mitte der 80er-Jahre die blutigsten Schlachten des Iran-Irak-Krieges stattgefunden. Der schmale Landzipfel im äußersten Norden des Golfs und an der Mündung des Schatt al-Arab gehörte zu den heiß umkämpften Zonen des Krieges. In einer Großoffensive 1986 von iranischen Truppen erobert, war die Halbinsel zwei Jahre darauf unter hohen Verlusten zurückerobert worden. Der US-Geheimdienst stellte Saddam Hussein damals die nötige Luft- und Satellitenaufklärung zur Verfügung.

Am Ende kostete die Schlacht um Fao auf beiden Seiten 170.000 Soldaten das Leben. Dabei soll die irakische Seite nach UN-Ermittlungen auch Giftgas eingesetzt haben. Nach dem zweiten Golfkrieg wurde Fao ein Teil der entmilitarizierten Zone, die von den UN-Beobachtern der Unikom kontrolliert wurde. Aufgrund der wahnsinnigen Hitze und Feuchtigkeit gehörte der kleine Kontrollposten der Unikom in Fao stets zu dem unbeliebtesten Stationierungsort der internationalen Beobachter entlang der 200 Kilometer langen Grenze zwischen Irak und Kuwait, zumal sie sich aus Angst vor Minen und nicht explodierten Bomben und Granaten nie trauten, die Hauptstraße der Halbinsel zu verlassen.

Auf der Straße nach Norden erinnern bis heute Schrifttafeln an die „heldenhafte irakische Eroberung“ Faos. Im einzigen Seehafen Iraks, Umm Kasr, endet die Ölpipeline. Die dort auf dem Reißbrett geplanten dreistöckigen Häuserblocks und die inzwischen verlassenen Kasernen verleihen der Stadt wenig eigene Identität. Die Spuren des Irankrieges sind überall sichtbar. Und auch wenn der Hafen während der UN-Sanktionen ein wichtiger Umschlagplatz geblieben ist, sind weite Teile der Stadt völlig heruntergekommen.

Das gilt auch für die weiter nördlich liegende Provinzhauptstadt Basra, mit ihren 1,3 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt des Landes. Hier erinnern nicht nur die ebenfalls überall sichtbaren Schäden an den Krieg mit dem Iran. An der Uferpromenade entlang des Schatt al-Arabs deutet alle paar Meter eine Bronzestatue eines im Krieg gefallenen „irakischen Märtyrers“ mit anklagendem Zeigefinger auf die iranische Seite des Schatt.

Wenn über die Hauptstadt der fast ausschließlich von Schiiten bewohnten Provinz Basra etwas Nettes gesagt werden kann, dann mit Blick auf die besseren Zeiten, die die Stadt gekannt hat. Gegründet im 7. Jahrhundert vom Khalifen und Prophetennachfolger Omar Ibn Khatab, wurde sie nicht nur zu einem Umschlagplatz für Waren aus China und Indien. Sie entwickelte sich auch zu einem Zentrum der Wissenschaft, in dem Entdeckungen in der Mechanik und Optik gemacht wurden.

Vor dem Krieg mit dem Iran (1980–88) wurde die Stadt auf Grund ihres Kanalsystems als Venedig oder Amsterdam des Ostens bezeichnet. Heute, nach dem Krieg mit dem Nachbarn, ist Basra nur noch ein Schatten seiner selbst. KARIM EL-GAWHARY