: Auch Fischwasser ist Zen
Neue Wege zu Ruhe und Ausgeglichenheit: Mit einer traditionellen japanischen Teezeremonie wurde der Zen-Buddhismus im KITO in Vegesack nicht nur geistig, sondern auch sinnlich erfahrbar
taz ■ Was soll eigentlich die Leinwand mit dem Videobeamer hier? Die Bambussträucher, der rote Sonnenschirm aus Papier und die meditative, fernöstliche Musik im Hintergrund sollen den rustikalen Dachboden des KITO in Vegesack in einen altehrwürdigen japanischen Teeraum verwandeln – da wirkt die moderne Unterhaltungselektronik irgendwie deplatziert.
Doch die japanische Tee-Zeremonie, die hier demonstriert werden soll, ist ja auch nur eine entfernte Annäherung an das Original, wie der Veranstalter Peter Brandt zugibt. Die Videoaufzeichnung aus Japan soll parallel zum Live-Geschehen zeigen, „wie‘s eigentlich original abläuft“.
Trotzdem: Für ihn war es die Erfüllung eines lang gehegten Traumes, die Tee-Zeremonienmeisterin Ikuko Shirakawa mit fünf ihrer besten Schülerinnen für diesen einen Abend aus Japan einfliegen zu lassen. Mit Ausnahme des Fluges steht der Esoterik-Buchhändler für die Kosten selbst gerade.
„Bei nur 28 zahlenden Besuchern natürlich ein finanzielles Desaster, aber darum geht‘s hier ja nicht“, erklärt Brandt mit mildem Lächeln. Er möchte mit Veranstaltungen wie dieser dem Nord-Bremer Publikum Wege zur Spiritualität eröffnen. Zum Beispiel den Buddhismus, dem die Tee-Zeremonie entstammt.
Anstatt auf Reismatten sitzt das Publikum auf Stühlen, halbkreisförmig um eine kleine Holztheke geschart. Auf dieser sind ein Teekessel, Löffel und Keramikschalen angeordnet. Nach einem genau festgelegten Ritual bringt eine Schülerin Wasser zum Kochen. Frau Shirakawa steht daneben und erklärt die einzelnen Schritte, unterstützt von einer Dolmetscherin.
Die junge Frau gibt etwas pulverisierten Grünen Tee in unregelmäßig geformte Keramikschalen und gießt dann das Wasser darüber. Mit einer Art Rasierpinsel aus Bambus rührt sie das Gemisch in den Schalen um.
Nun kommen die anderen Damen zum Einsatz. Fünf Zuschauer werden auf eigens reservierte Stühle vor der Bühne gebeten. Zuerst gibt es Süßigkeiten, dann reicht man ihnen die Teeschalen.
Hastiges Hinunterstürzen des sündhaft teuren Getränks wird durch strenge Trinksitten unterbunden. Nach einem genau einzuhaltenden Bewegungsablauf müssen die Freiwilligen die Schale mehrfach drehen und in kleinen Schlücken daraus trinken. Zum Schluss wird der Rand der Schale streng nach Vorschrift abgewischt.
Nach knapp zehn Minuten ist die letzte Teeschale wieder eingesammelt, das Geschirr mit einem speziellen Tuch gereinigt – und die nächste Staffel dran. Es soll ja keiner leer ausgehen.
„Normalerweise dauert so etwas Stunden, man reinigt sich vorher und meditiert“, klärt eine Besucherin auf.
Irgendwann bekommt jeder mit sanfter Verneigung eine dampfende Schale gereicht. Im Gegensatz zu den fast geschmacksneutralen Süßigkeiten hat die trübe Flüssigkeit ein kräftiges, salzig-bitteres Aroma. „Das schmeckt ja wie Fischwasser“, bemerkt eine ältere Dame neben mir.
„Was die Tee-Teremonie mit dem Buddhismus zu tun hat, ist die Ruhe und Gelassenheit“, erklärt die Dolmetscherin. Die brauchen die Damen auch, um sich nach der Vorführung den Profilierungsversuchen einiger Gäste zu stellen. Einer möchte gar das Heizelement des Teekochers ansehen, um dann festzustellen, dass er fast dasselbe zu Hause hat.
Als die listige Frage kommt, was denn passiert wäre, wenn eine der bis zu 39.000 Euro teuren Teeschalen heruntergefallen wäre, entgegnet Frau Shirakawa lächelnd: „Dann wäre sie runtergefallen.“
„Das“, spricht Brandt mit sanfter Stimme, den Blick in die Ferne gerichtet, „ist Zen.“ till
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