: Schmutzfink Vattenfall unter der Lupe
Wachsende Kritik an Investitionen des schwedischen Energiekonzerns in umweltschädliche Produktionsformen
STOCKHOLM taz ■ Sein Energiekonzern Vattenfall war für den schwedischen Staat, der hundertprozentiger Eigentümer ist, in den letzten Jahren ein steter Grund zur Freude. Nicht zuletzt wegen seines Engagements in Deutschland und Polen meldete der Goldesel in jedem Quartal neue Rekordgewinne. Die derzeitige Kapitalrendite von 22 Prozent ist weit mehr, als der Staat sonst von seinen Unternehmen erhält – und sie bedeutet eine Verdoppelung binnen vier Jahren. Doch außer Gewinne zu machen, sollte Vattenfall noch zwei andere Aufgaben erfüllen, die man inzwischen vergessen zu haben scheint: Der Konzern sollte die schwedische Stromversorgung sichern und bei den Technologien innovative Spitze sein.
Ersteres funktioniert nur bei Windstille und klarem Himmel: Auch in diesem Winter saßen zehntausende schwedische Vattenfall-Kunden tagelang im Dunklen, weil Schneestürme die morschen Leitungen knackten. Und Letzteres scheinen von Vattenfall zuletzt nur noch Umweltschützer verlangt zu haben – zumindest solange der Konzern nur außerhalb Schwedens durch das Engagement in veraltete Energieproduktion wie Kohle- und Atomkraftwerke expandierte.
Nur: Jetzt will das Staatsunternehmen das Prinzip „Zurück zu den Dreckschleudern“ auch in der Heimat einführen. Und das lässt selbst die Regierung aufwachen. „Äußerst bedenklich“ findet Umweltministerin Lena Sommestad die Pläne, mit der sich Vattenfall in die Spitzenposition bei schwedischen Kohlendioxidquellen katapultieren will: Mit einem einzigen Kraftwerk, das jährlich 2,5 Millionen Tonnen davon ausstoßen soll und so auf einen Schlag die CO2-Bilanz des Landes aus Strom- und Fernwärmeerzeugung um 20 Prozent erhöhen würde.
Vattenfall will nämlich ein zu Beginn der Neunzigerjahre ausgemustertes und seitdem nur noch im Notfall benutztes Ölkraftwerk im westschwedischen Stenungsund mit den schmutzigsten Schwerölen, die in einer nahe gelegenen Ölraffinerie anfallen, wieder im Dauerbetrieb befeuern. Die hier jährlich zu erzeugenden 3,6 Terrawattstunden Strom, 2,5 Prozent des schwedischen Stromverbrauchs, versprechen einen weiteren fetten Gewinnposten in der Bilanz.
Bei Vattenfall versucht man das allen Ernstes als Umweltgewinn zu verkaufen. „Es ist Öl, das ansonsten doch nur ungereinigt in Schiffsmotoren verfeuert würde“, so Projektchef Christer Englund. Rund 80 Millionen Euro werde man in modernste Reinigungstechnik investieren und damit 97 Prozent des Schwefelgehalts des Öls ausfiltern. Umweltministerin Sommestad lässt sich davon nicht beeindrucken: Die Richtung, die Vattenfall eingeschlagen habe, passe nicht, grollt sie. Schon vor langem habe man entschieden, aus der Stromerzeugung aus Öl auszusteigen. Das gelte auch in Zukunft: „Es wäre wünschenswert, wenn Vattenfall ein deutliches Profil gemäß unserer klimapolitischen Prinzipien zeigen würde.“
Die Grünen bereiten derzeit eine Anfrage im Parlament vor. „Und da wollen wir“, so Parteivorsitzender Peter Eriksson, „nicht nur Stenungsund, sondern auch die umfassenden Investitionen in Kohlekraft in Deutschland und Polen zum Thema machen.“
Auch bei der staatlichen Revisionsbehörde hat man seit November letzten Jahres eine Untersuchung in Arbeit, inwieweit eigentlich die Unternehmenspolitik von Vattenfall mit schwedischen umwelt- und energiepolitischen Prinzipien in Einklang steht. Diese soll auch gerade das Auslandsengagement mit untersuchen. Es ist das erste Mal, dass ein schwedisches Staatsunternehmen sich eine solche Kontrolle gefallen lassen muss.
REINHARD WOLFF