: Soft und süffig
Wo Easy-Listening war, soll Lounge Jazz werden: Pornorama lädt zum Abschlaffen in den Roten Salon
Der Grat, auf dem Pornorama und ihre Sängerin Miss Claudia von Fürstenberg wandeln, ist sehr schmal: Ob Klamauk im Stile von Mambo Kurt oder billige Anzüglichkeit wie beim Swinger Club, ob sentimentale Retro-Soundtrack-Seligkeit oder schluffiger Fahrstuhl-Muzak, überall lauern ausgedehnte Sumpfgebiete, die Musiker und Entwurf zu verschlucken drohen. Dazu passt die ausufernden Legende um Miss Claudia und ihren langen Weg aus dem Jet-Set bis zur Entdeckung als Sängerin.
Da hilft, es dass die Band ausschließlich aus versierten dänischen Jazzern besteht, die drei Blechbläser sonst gar beim Kopenhagener Radiosymphonie-Orchester Beschäftigung finden. Die spielen so schnell mal aus dem Stegreif und problemlos alles, wozu man sich sacht in den Hüften wiegen kann, ohne dass man dabei allzu sehr Gefahr liefe, seinen Drink zu verschütten: Lateinamerikanische Rhythmen, verschmuste Schnulzen, vorsichtige Soul-Bläser, mondänes Saxophon und verspieltes Vibraphon, der Sound der Sixties, vor allem der von Gert Wilden, dem legendären Soundtrack-Komponisten früher Softpornos und erklärtes Vorbild von Pornorama. Dazu liefert Miss Claudia nichts weniger als die große Geste des italienischen Canzone, die Verruchtheit des Chanson und das süffige Timbre einer Heroine.
So wird nun also der Cocktailmixer geschwenkt. Und zwar so elegant wie seit den seligen Tagen von Combustible Edison nicht mehr. Wie diese schon Mitte der Neunzigerjahre suchen auch Pornorama die Nähe zum Dancefloor. Aber was damals Easy Listening hieß und den Weg auf den Tanzboden fand, nennt sich heute Lounge Jazz und dient zumeist zum Abschlaffen nach der großen Sause. Vor allem aber reaktivieren Pornorama einen Gedanken von Combustible Edison, der lange verschüttet worden war: Damals entdeckte man verschollen geglaubtes Stilbewusstsein als Konterattacke auf die Vorherrschaft des Grunge. Jetzt, da Menschen wie Fred Durst oder Kid Rock den Mainstream prägen, klingen doch tatsächlich ein paar spießige Melodien aus den Sechzigerjahren plötzlich wieder arg revolutionär. THOMAS WINKLER
Heute Abend ab 22 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz