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Archiv-Artikel

american pie Die NFL Europe startet planmäßig in die Saison

Geschäft geht vor Krieg

Schlussendlich trug mal wieder der Kapitalismus den Sieg davon. „Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, das in Europa operiert“, verkündete Paul Tagliabue, Chef der National Football League (NFL), „und wie andere Wirtschaftsunternehmen auch, können wir nicht einfach aufhören zu arbeiten.“ Damit war klar, dass der europäische Ableger der reichsten Profiliga der Welt, die NFL Europe, wie geplant am übernächsten Wochenende die diesjährige Saison beginnen wird. Am heutigen Mittwoch werden die Teams, die sich bislang im Trainingslager in Tampa vorbereitet haben, in Europa erwartet.

Die Entscheidung fiel bei einem Treffen der Besitzer der NFL-Klubs in Phoenix und sie war überraschend unumstritten. Einen „starken Konsens, die Saison wie geplant zu spielen“, konnte Tagliabue nach einer überwältigenden Abstimmungsmehrheit konstatieren – und dass er sich allgemein wenig Sorgen mache um die Sicherheit seiner Angestellten. Zuvor war spekuliert worden, ob der Saisonstart eine Woche verschoben, die ersten Spiele in Florida ausgetragen oder die Saison womöglich ganz abgesagt werden sollte. Gespräche mit Trainern, Spielern und Managern der sechs Teams hatten die Besitzer überzeugt, dass ihrem Spielermaterial kein Schaden drohe in Spanien, Schottland, den Niederlanden und Deutschland, jenen Ländern, in denen die sechs Klubs der NFL Europe beheimatet sind.

Auch die direkt Betroffenen geben sich abgeklärt. Für alle Spieler, mit denen er gesprochen habe, erklärte Berlins General Manager Michael Lang auf Nachfrage der taz, sei es „überhaupt kein Thema“, nicht nach Europa zu kommen: „Die freuen sich.“ Er selbst war sich in den letzten Tagen „relativ sicher“, dass die Saison würde stattfinden können: „Schließlich gibt es keinen Grund, ein Football-Team in Europa anzugreifen.“

Trotzdem warten auf die Besucher des Berliner Olympiastadions, in dem Thunder in diesem Jahr erstmals antreten wird, „spezielle Sicherheitsvorkehrungen“, die Lang nicht näher erläutern will – „aus Sicherheitsgründen“. Verschärfte Vorkehrungen hätte es nach dem Attentat vom 11. September allerdings auch schon in der vergangenen Spielzeit gegeben.

Gewalttätige Proteste im Stadion fürchtet Lang nicht, weil „die Footballgemeinde eine sehr friedliche ist“. Über den Umgang mit Meinungsäußerungen wie Anti-Kriegs-Plakaten will er „situationsbedingt und ganz entspannt entscheiden“. Spielern des vorwiegend aus amerikanischen Profis bestehenden Teams, die wieder nach Hause wollen, würde er keine Steine in den Weg legen. Bislang hat sich allerdings noch niemand gemeldet, der den Flug ins „alte Europa“ (Donald Rumsfeld) gar nicht erst hätte antreten wollen.

Auch Friktionen innerhalb des Teams erwartet der Manager nicht, „aber vielleicht bin ich ja ein hoffnungsloser Optimist“. Der Krieg werde sicherlich auch innerhalb der Mannschaft ein Thema sein, gibt Lang zu, „aber die Jungs haben hier einen Job“. Der, hofft er, möge von seinen Angestellten professionell ausgeführt werden. Und zudem so zeitintensiv und anstrengend sein, dass die Spieler des Titelverteidigers „den Kopf mit anderen Sachen voll haben“.

Kaum waren die Teams auf dem Weg über den Großen Teich, kehrte in der Mutterorganisation wieder der Alltag ein. Schließlich standen sehr viel drängendere Probleme als der Zustand des immer noch rote Zahlen schreibenden Töchterchens NFL Europe auf der Tagesordnung der milliardenschweren NFL-Besitzer: Heftig diskutiert wurden in Phoenix vor allem eine Änderung der Verlängerungs-Regeln und die Aufstockung der Playoffs von 14 auf 16 Teams. Wie hatte Paul Tagliabue gesagt? Die NFL sei ein Wirtschaftsbetrieb. Selbst ein Krieg stört da nicht, solange nur die Geschäfte noch reibungslos laufen. THOMAS WINKLER