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Archiv-Artikel

Väter boomen …

betr.: „Die Väterlüge“ von Ines Kappert, taz vom 4. 11. 08, „Wenn Männer zu viel arbeiten“, taz vom 27. 10. 08, „Die Frau muss sagen: ich liebe dich trotzdem“, u. a. taz Magazin vom 25. 10. 08

„Man kann ohne Kinder genauso glücklich leben“, sagt fast die Hälfte der Befragten unter 45 Jahren (aus der kürzlich veröffentlichten Untersuchung über den „schwierigen Weg junger Männer in die Vaterschaft“/Bertelsmannstiftung und Deutsches Jugendinstitut). Was heißt man(n) kann „genauso“? Offensichtlich haben die meisten gar keine Erfahrung mit dem, woran sie ihr Glücklichsein immerhin definieren: ein Drittel von ihnen zwischen 29 und 59 ist kinderlos.

Angesichts der üblichen Rollenverteilung ist für die restlichen zwei Drittel in Frage zu stellen, welche Erfahrungen und Glücksbindungen sie zu Kindern haben. Geht es lediglich um Glück? So wird in den Artikeln (taz 4. 11., 27. 10.–25./26. 10. 08) nirgends erwähnt, dass man(n) sich diese Haltung nur auf der Grundlage leisten kann, dass andere (sich) das Erziehen und Leben mit Kindern „leisten“ – für viele neben dem Beruf, mit schlechten oder gar keinen Kindergartenplätzen, ausfallender Schule etc. etc. Bei aller Freiheit der Neigungen ist das ungerecht. Diese – in Deutschland besonders gepflegte – Schieflage kommt in wesentlichen Teilen auch dadurch zustande, dass besonders Kinderlose die Art der Berufsstrukturen vorgeben und nicht nur die Betriebe (taz 27. 10. 08). Dazu kennt jede Frau mit Kindern den beruflichen Arbeitskick, den auch Väter spätestens nach dem zweiten Kind pflegen (Identität, Ernährerrolle, Sachzwang usw.). Grundsätzlich konnten sich die beruflichen Arbeitsstrukturen nur so unfreundlich für Familien entwickeln, weil Frauen die gesamten diversen anderen Arbeiten weitestgehend erledigten (und ohne eigenständige Existenz waren oder sind!).

Insofern möchte ich den Appell aus dem Artikel „Wenn Männer zu viel arbeiten“ (taz 27. 10. 08) gerne bekräftigen: „Die Bertelsmannstiftung (und andere am besten auch) sollte ihre üppigen Fördergelder darauf verwenden, die praktische Umsetzung familien- und väterbewusster Strukturen in deutschen Betrieben zu erforschen“ und am besten im Zusammenhang mit dem ständigen Wechsel zum Familienalltag und anderen Feldern, weil sie sich gegenseitig bedingen: Wie kann es z. B. sein, dass das Jugendamt Verden Fortbildung anbietet für „Das Kindeswohl in der Familie“, ausschließlich durchgeführt von Männern, wobei die Fortzubildenden auf dem Gruppenfoto fast nur Frauen sind (sonst sieht man ja eher ein „Gruppenbild mit Dame“). Das ganze Thema ist ja über den männlichen Beruf hinaus ein allgemein eingraviertes, auch mentales Problem mit vielen Wechselwirkungen und merkwürdigen Verdrehungen. Und bei der „Krise im Mann“ geht es folglich nicht nur um die bekannte Wehleidigkeit von Männern bei kleineren Blessuren, sondern „um die Gesellschaft im Ganzen, ihre Ordnung, ihre Zukunft“. (Ines Kappert, taz 25./26. 10. 08). HEILWIG KÜHNE, Ottersberg