herr tietz macht einen weiten einwurf : FRITZ TIETZ über Symbole im Fußball
Tauben statt B-52-Bomber
Längst spielen die Fußballvereine in der Bundesliga nicht mehr ausschließlich nur gegeneinander. Seit einigen Jahren ist bei ihren Begegnungen immer mal wieder ein dritter Gegner mit von der Partie. Zunächst waren es die Drogen, denen die Teams die Stirn bzw. ein paar Quadratzentimeter Trikotfläche boten, auf dass der Drogen Macht bald keine mehr sein würde. Später trat man dann noch gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit an. Nach dem 11. September 2001 kam der Terror dazu, dem sich die Bundesliga-Fußballer, wenn auch dieses Mal nur an einem einzigen Spieltag, dafür aber umso entschlossener entgegenwarfen: und zwar entschlossen schweigend und Händchen haltend.
Dazu hatten an jenem denkwürdigen Spieltag sämtliche Spieler, wohl um den Terror zusätzlich zu erschrecken, schwarze Kapitänsbinden angelegt. Jeglicher Torjubel wurde aus Pietät vor den New Yorker Opfern entweder ganz eingestellt oder aber in symbolische Gesten wider den Terror umgestaltet. So formte der Bayern-Spieler Giovanne Elber nach einem Torschuss seine Hände zur Friedenstaube, wie hinterher allerdings auffallend oft erklärt werden musste, da es durchaus auch ein Flugzeug hätte sein können, das Elber da symbolisch durchs Stadion fliegen ließ. Von weiteren Bundesliga-Spieltagen gegen den Terror wurde seither Abstand genommen. Zu viele Zuschauer hatten die gleichzeitig anberaumte „Stille gegen den Terror“, der vor allem auch die nervige Stadion-Beschallung und die immer zu laut scheppernden Pausenmusik zum Opfer gefallen war, als so angenehm empfunden, dass sie – wenn auch nur hinter vorgehaltener Fan-Mütze – für häufigere Schweigeanlässe durch Terroranschläge plädierten.
Der Beginn der Bombardierung Bagdads vergangenen Donnerstag und der seither rollende Vormarsch „der amerikanischen und britischen Hundesöhne“ (Saddam Hussein) in den Irak löste keinen offiziellen Antiterroreinsatz in den deutschen Stadien aus. Einzig beim Nordderby Bremen gegen Hannover hielt man vor dem Anpfiff eine Schweigeminute ab, die aber allerhöchstens 15 Sekunden andauerte, wie ich selbst bezeugen kann, weil ich einer der 38.000 Zuschauer im Weserstadion war. Anschließend ließen die Spieler beider Teams 99 weiße Luftballons fliegen, was, wie der Stadionlautsprecher verkündete, ein Zeichen sein sollte. Für was, habe ich allerdings akustisch nicht verstehen können, weil die vier doofen 96er-Fans in der Sitzreihe vor mir in diesem Moment „Steht auf, wenn ihr Rot-Schwarze seid“ zu grölen begannen und, um ihr Rot-Schwarz-Sein offensiv zu bekunden, auch tatsächlich aufstanden. So konnte ich wegen der verstellten Aussicht nicht überprüfen, ob’s wirklich 99 Luftballons waren, die da bei herrlichem Kaiserwetter (wie man früher sagte, heute spricht man ja bei wolkenlosem Sonnenschein von Atta-Wetter) in den blauen Himmel über Bremen aufstiegen.
Wer über genügend Interpretationsgabe verfügte, konnte aber auch in den übrigen Bundesliga-Stadien einige symbolhafte Aktionen gegen den US-Terror beobachten. So fiel doch an diesem Samstag der Torjubel bei insgesamt nur 11 versenkten Dingern abermals bemerkenswert zurückhaltend aus. Und muss nicht das so überaus erbärmliche Eigentor des Schalkers van Hoogdalem als ein sinnbildlicher Fingerzeig an die Bush-Bande gewertet werden? Auch Bobic’ verschossener Elfer könnte eine symbolische Mahnung an die amerikanische Luftwaffe gewesen sein, bei ihren „chirurgischen Schläge“ genannten Terrorakten bitte nicht ebenso unplatziert zu treffen. Dem Wolfsburger Präger allerdings zu unterstellen, er habe mit seinem Jubellauf nach dem 2:0 gegen Bochum, bei dem er mit weithin ausgebreiteten Armen über den Platz fegte, andeutungsweise den Einsatz von B-52-Bombern verherrlichen wollen, geht denn doch wohl eindeutig zu weit.