DIE ANGEKÜNDIGTE SIEDLUNGSRÄUMUNG SOLL SCHARONS KURS STÜTZEN : Getarnte Eroberungspolitik
Ariel Scharon hat schon einmal eine Siedlung räumen lassen. Gegen heftigen Widerstand setzte er als Verteidigungsminister 1982 die Räumung von Jamit auf der Sinai-Halbinsel gewaltsam durch. Es ist ihm also zuzutrauen, dass er auch die völkerrechtswidrigen Siedlungen im Gaza-Streifen schleifen will. Dem steht sein Ruf als Mentor der Besiedlung besetzter palästinensischer Gebiete seit den 70er-Jahren nicht entgegen. Scharon ist Eroberer und Militär, er denkt in militärischen Kategorien. Und die israelische Armee war – jenseits aller Ideologie – stets dafür, aus dem Gaza-Streifen abzuziehen. Sicherheitspolitisch und finanziell war dessen Besiedlung immer ein Fiasko.
Scharons Kalkül geht aber darüber hinaus. Mit der angekündigten Siedlungsauflösung hat er ein Geschenk für US-Präsident Bush im Gepäck, das dieser kaum ignorieren kann, wenn Scharon Ende des Monats Washington besucht. Damit will er die US-Kritik an der Sicherheitsanlage im Westjordanland und in Jerusalem entschärfen und vor der Verhandlung des Mauerbaus vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag seinen Willen zu politischen und eben nicht juristischen Entscheidungen deutlich machen. Dafür könnte er dann nicht nur von den USA, sondern auch von der EU Rückendeckung bekommen.
Gegenüber dem erwarteten Aufschrei in seiner Koalitionsregierung und in der Siedlerbewegung hat der Ministerpräsident ein starkes Argument ins Feld geführt. Unabhängig davon, so Scharon, ob es zu einer Lösung im Rahmen der road map oder zu einer einseitigen Trennung von den Palästinensern kommt, die Siedlungen im Gaza-Streifen wird Israel nicht halten können. Innenpolitisch kann er sich relativ sicher sein, dass die Arbeitspartei – oder Teile von ihr – ihm die Hand reichen werden, wenn er seiner seit Monaten verfolgten Ankündigungspolitik Taten folgen lässt. Und er wird anhand des öffentlichen Protestes demonstrieren können, dass die Aufgabe von weiteren Siedlungen im Westjordanland Israel vor eine Zerreißprobe stellen würde, die keine Regierung in Jerusalem auf sich nehmen würde. Wofür er sich dann wieder als Garant der israelischen Eroberungspolitik feiern lassen kann. GEORG BALTISSEN