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Archiv-Artikel

Zweite Wende in Serbien

Der mutmaßliche Mörder von Premierminister Zoran Djindjić wird verhaftet, seine berüchtigte „Einheit für Sondereinsätze“ aufgelöst. Auch die Kirche gerät jetzt in das Visier der Fahnder

aus Belgrad IVAN IVANJI

In Serbien steht mehr auf dem Spiel als die Verhaftung des mumaßlichen Mörders eines beliebten Ministerpräsidenten. Am Dienstag wurde Zvezdan Jovanović festgenommen. Der Oberstleutnant der Polizei war Stellvertreter des Kommandeurs der Kampftruppe der Polizei, wegen ihrer Kopfbedeckung auch „Rote Barette“ genannt. Ihr amtlicher Name lautet JSO („Einheit für Sondereinsätze“).

Gegründet wurde die JSO für Einsätze in Kroatien, Bosnien und im Kosovo, die nicht von der regulären Armee erledigt werden sollten. Dafür wurden Kriminelle rekrutiert. Kontakte gab es auch zu vom Haager UNO-Tribunal gesuchten Kriegsverbrechern, wie dem bosnisch-serbischen General Radko Mladić. Auf Grund der Tatwaffe – ein Gewehr vom Typ Heckler & Koch G 3, die zur Ausrüstung der JSO gehört – und der Hülse der Patrone, die den Premier getötet hat, scheint der Todesschütze ermittelt. Verhaftet wurden auch Jovica Stanišić, Chef des Geheimdienstes, Oberst Frenki Šimatović, der erste Kommandant der JSO und deren letzter Befehlshaber, Dušan Maričić sowie mehr als 1.000 weitere Personen. Flüchtig ist nach wie vor der mutmaßliche Drahtzieher des Attentats, Milorad Luković, genannt „Legija“.

Die JSO hat als eigene Hymne gerne ein Loblied auf Christus und das Serbentum gesungen. Ihre Angehörigen haben sich stets als gute Christen und serbische Patrioten geriert. So fand Dienstagabend eine Durchsuchung des Klosters Mileševo in Serbien statt, das zur Zuständigkeit von Bischof Filaret gehört – eines Priesters, der sich im Bosnienkrieg mit einer Kalaschnikow und einem Totenkopf fotografieren ließ. Weder die Kirche noch Gerichte und Staatsanwälte sind jetzt noch sakrosankt.

Am 11. November 2001 hatte die JSO einen Aufstand geprobt, war bewaffnet und in Uniform mit ihren Radpanzern vor Belgrad aufgefahren und hatte die Ablösung des Innenministers gefordert. Sprecher der Einheit war der bis dahin unbekannte Zvezdan Jovanović. Djindjić gab nicht nach, aber Vojislav Koštunica, damals Staatspräsident, nahm die Truppe in Schutz. Die Rolle der JSO beweist, dass zumindest die Möglichkeit eines bewaffneten Umsturzes bestanden hat und sie zum Zuge gekommen wäre, falls nach der Ermordung von Premier Zoran Djindjić Panik ausgebrochen wäre.

Am Dienstag wurde die JSO sofort aufgelöst. Bedeutsam ist, dass dabei kein Widerstand geleistet wurde. Die JSO besitzt US-Panzer der Marke „Hammer“, Kampfhubschrauber russischer Herkunft und modernste Waffen und Ausrüstung. Für den Fall eines Kampfes gegen die JSO standen militärische Einheiten bereit. Bevor die JSO formal aufgelöst wurde, überflog die Luftwaffe ihren Standort Kula.

Mit der Verhaftung des mutmaßlichen Djindjić-Mörders und der damit verbundenen Aktion hat Serbien eine Wende erlebt, wie mit der Verhaftung von Slobodan Milošević. Die Gefahren für die demokratischen Ansätze sind aber nicht gebannt.

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