: Biogas für die Kommune
In zwei nordfriesischen Dörfern entstehen durch Kooperation von Gemeinden, Landwirten und Bürgern zwei Biogasanlagen. Das Konzept und die Wertschöpfungskette erfährt große Akzeptanz
Tage ohne Wind sind rar im nordfriesischen Langenhorn. Doch wenn der Wind mal nicht weht, dann stehen die Flügel der Windkraftanlagen in der platten Marsch am Rande der 3.100 Einwohner zählenden Gemeinde unweigerlich still und produzieren keinen Strom mehr. „Bei Windstille liefern wir die Grundlast fürs Stromnetz“, sagt Ingwer Saß, Betriebsleiter von der im Januar in Betrieb genommenen Biogasanlage in Langenhorn und unterstreicht deren Rolle im regionalen Energiemix der Zukunft. Denn die konstante Erzeugung von Strom und Wärme aus Biogas gleicht die Schwankungen beim Windstrom aus.
Saß wird in Zukunft jährlich rund 75.000 Tonnen Gülle von rund 100 Landwirten aus der näheren Umgebung von Langenhorn annehmen. In vier großen Hauptfermentern wird die Gülle zwischengelagert und vergast. Das entweichende Methan wird anschließend in Gassäcken aufgefangen und zwei parallel geschalteten Gasmotoren zugeführt. Diese bringen es zusammen auf 670 Kilowatt elektrische sowie 850 Kilowatt thermische Leistung. Während der Strom ins Netz gespeist wird, gelangt die Wärme gleich in ein Nahwärmenetz, das im Ort die Schule, das Amtsgebäude, den Kindergarten und ein Neubaugebiet wärmt. „Wir werden jährlich ungefähr 2,5 Millionen Kilowattstunden Wärme liefern“, schaut der Planer dieser Biogasanlage, Thomas Knauer, trotz einiger Pannen vor und nach dem Betriebsstart optimistisch voraus. Knauer plant auch die zweite, konstruktionsgleiche Biogasanlage im Nachbarort Bordelum, die in diesem Frühjahr in Bau gehen soll.
Eigentümer der beiden Biogasanlagen sind die beiden Gemeinden Bordelum und Langenhorn. Weil die Gemeinden Eigner sind, floss auch Fördergeld in das Biogasprojekt. Im Rahmen des EU-Programms „Ländliche Struktur- und Entwicklungsanalyse“ erhielten sie einen Zuschuss von 38 Prozent der investierten 6,4 Millionen Euro.
„Ich bin froh, dass wir uns als Gemeinde wider aller Kritik für dieses Projekt durchgerungen haben“, sagt Godber Carstensen. Der Landwirt und zugleich Bürgermeister der Gemeinde erzählt, dass er in den letzten Jahren Stück für Stück vom Betrieb einer Biogasanlage überzeugt worden sei. Neben den energetischen Vorteilen sieht Carstensen mit der Anlage die Chance, den schwelenden Konflikt zwischen Landwirtschaft und Tourismus um die „stinkende Gülle“ entschärfen zu können.
Die wirtschaftlichen Geschicke der gemeinschaftlich konzipierten Biogasanlagen liegen dabei in der Hand einer Betreibergesellschaft: der Biogas Stollberg GmbH & Co. KG. Sie wurde im Herbst 2000 von 90 Bürgern – Landwirten und Nichtlandwirten – gegründet. Jeder war mit 500 Euro Einlage dabei. Im Frühjahr 2002 gründeten die Initiatoren dann zur GmbH eine Kommanditgesellschaft (KG), an der sich bis zum Jahresende noch weitere 150 Leute mit 500 bis maximal 5.000 Euro am Doppelprojekt in Langenhorn und Bordelum beteiligten, sodass die KG auf die erforderliche Summe von 500.000 Euro anwuchs.
Melf Melfsen ist einer der drei Geschäftsführer der KG. „Viele Landwirte wollen keine Einzelhofanlage, weil sie die zusätzliche Arbeit auf den Höfen nicht mehr bewältigen können“, sagt Milchviehhalter Melfsen, der 100 Hektar Weide- und Ackerland bewirtschaftet. „Ich habe daher immer auf das Konzept einer Gemeinschaftsanlage gesetzt, die von Festangestellten gemanagt wird.“ Melfsen erklärt sich die große Resonanz auf das kommunale Biogasprojekt damit, dass „viele in der Energieerzeugung aus Gülle auch wirtschaftlich ein sicheres Anlageobjekt sehen“. Den Kommanditisten winkt eine Rendite von mehr als sechs Prozent. Obendrein beschert die Biogasanlage den Landwirten einen besseren Nährstoffaufschluss der Gülle.
Daher sind für Dirk Ketelsen, Mitgesellschafter und strategischer Vordenker der Biogas Stollwerk GmbH & Co. KG, gemeinschaftliche Biogasanlagen wie in Bordelum und Langenhorn erste Bausteine einer größeren Vision. „Wir müssen unsere Ressourcen schonen“, warnt der Biolandwirt und Windkraftanlagenbetreiber aus dem Sönke-Nissen-Koog. „Erdöl ist viel zu schade, um es zu verheizen.“ Er hofft deshalb, dass solche „Biogasanlagen für alle“ Schule machen. DIERK JENSEN