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Archiv-Artikel

Torte für den Senator

Studierende sprengen Podiumsdiskussion über Hochschulreformen. Wissenschaftssenator Dräger mit Backwerk attackiert. Studentischer Streik fordert gebührenfreies Studium und Auflösung der Hochschulräte

Den Schlusspunkt setzte eine Erdbeertorte: Mit Sahne im Haar verließ Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) am Mittwochabend abrupt eine Podiumsdiskussion in der Universität, nachdem ihn ein Studierender mit Kuchen attackiert hatte – gestern bei Redaktionsschluss erwog Dräger noch, Strafanzeige zu erstatten. Thema des Abends waren die Hochschulreformen und die Positionen der Parlamentsfraktionen dazu. Etwa 100 Studierende waren gekommen. Weil aber die Redner auf eine Resolution der Streikenden nicht antworten wollten, sprengten diese das Treffen. „Dräger hat die Torte verdient“, so Studentin Stefanie Meyer, „er ignoriert unsere Kritik.“

Zuvor hatten Senator und Hochschulpolitiker der Regierungspartner CDU und FDP sowie der rot-grünen Opposition eine Stunde lang versucht, ihre Positionen zu umstrittenen Neuerungen wie Studiengebühren, Bachelor-Master-Struktur und Hochschulräten zu präsentieren. Der AStA, Organisator des Treffens, hatte die Tagesordnung aufgestellt. Doch mit Trillerpfeifen und Zwischenrufen erstickte der Großeil des Publikums die Statements. Unterstützt von Trampeln und Applaus, forderte eine Gruppe das Podium immer wieder auf, zur Streikresolution Stellung zu nehmen.

Johlen erntete die Forderung an Dräger, sein neues Hochschulgesetz zurückzuziehen. Zu dessen umstrittensten Neuerungen zählen Gebühren für Langzeitstudierende und auswärtige Kommilitonen und ein Maulkorb für die ASten. Wie zu erwarten folgten die Politiker der Aufforderung der Streikenden nicht, ihre Unterschriften unter die Resolution zu setzen.

Stattdessen versuchten die Parlamentarier Argumente vorzutragen. Dräger warf den Protestlern vor, aus „Bildungsbequemlichkeit den Status Quo zu verteidigen“ und erneuerte sein Bekenntnis zu Studiengebühren: „Die schrecken nicht ab.“ Er verwies auf das Ausland, wo mehr Kinder aus armen Familien studierten. Zuspruch gaben CDU und FDP, strikte Ablehnung kam allein von der GAL. Studentin Janina Wagener warf Dräger „soziale Selektion“ vor und gab zu Bedenken, dass bereits heute drei viertel aller Studierenden arbeiten müssten, um ihr Studium zu finanzieren.

Als Dräger die Einführung von Hochschulräten zu verteidigen begann, tönte „Bla, Bla“ und „Alles Gelaber“ aus dem Publikum. Die Studierenden kritisieren die Dominanz von Wirtschaftsvertretern in dem Gremium und dass es keiner Aufsicht unterliegt. Die GAL versicherte, die Räte kippen zu wollen, die SPD will deren Kompetenzen beschneiden. Als indes Dräger die neue „effiziente Entscheidungsstruktur“ lobte, lief ein Maskierter aufs Podium und warf die Torte.

„Seit zwei Jahren hören wir dieselben Slogans“, kommentierte Studentin Stefanie Meyer die Backwerk-Attacke. „Das bringt uns in Rage.“ Aber dieser Ausgang der Veranstaltung ärgerte auch manchen unter den Gästen: „Ich kenne die Positionen der Parteien nicht genau“, sagte Student Arne Wickenbrock, „und die hätte ich gern gehört.“

EVA WEIKERT