: Mach mal ‘ne Pause
Der Journalistenverband DJV will den Zeitungsstreik vorerst aussetzen. Ver.di zögert noch. Denn es geht um mehr als ein paar Urlaubstage
VON STEFFEN GRIMBERGUND THILO KNOTT
Ute Heidbrink ist sauer. Natürlich auf die Verleger, die in der laufenden Tarifrunde für die 14.000 Redakteure massive Einschnitte fordern. Die Lokalredakteurin und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei der Südwestpresse in Ulm schimpft auch auf die Kollegen in anderen baden-württembergischen Zeitungen. Einen Beschwerdebrief hätten sie bei der Südwestpresse verfasst. Adresse: Redaktionen wie die der Badischen Zeitung. Dass man in manchen Zeitungshäusern erst zur Urabstimmung schritt, dann aber noch überlegen musste, ob nun wirklich gestreikt werden sollte, findet Heidbrink „läppisch“. Sieben Tage haben die Journalisten bei der Südwestpresse gestreikt, gestern saßen sie wieder vor ihren Computern. Heidbrink sagt: „Sollen doch auch mal andere streiken.“
Doch nach der am Mittwochabend ohne Ergebnis vertagten Verhandlungsrunde zwischen den Gewerkschaften Ver.di und Deutscher Journalisten-Verband (DJV) sowie dem Bund Deutscher Zeitungs Verleger (BDZV) läuft der Streik vorerst nur noch diese Woche. Ver.di und DJV hielten gestern separate Telefonkonferenzen mit den Streikleitern ihrer Bezirke ab. Ergebnis: „In der nächsten Woche werden die Streiks unterbrochen“, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner. So deutlich wollte der Ver.di-Tarifsekretär Matthias von Fintel dagegen nicht werden. Es gebe eine „leicht veränderte Streiktaktik“, sagte er nach der Konferenz mit seinen Streikleitern. Ver.di mobilisiere derzeit für „Solidarstreiks bei den Druckern“. Auf jeden Fall werde es zu einer „Streikbewegung“ vor dem nächsten Verhandlungstermin geben (16. Februar). Gestern stimmte als erste überregionale Zeitung auch die Süddeutsche Zeitung über eine Teilnahme ab.
Der BDZV hatte am Mittwoch ein dezent verändertes Angebot unterbreitet. Demnach soll das Urlaubsgeld nicht mehr auf 75 Prozent, sondern auf 80 Prozent gesenkt werden. Die Urlaubsdauer solle von 35 auf 30 Tage für alle Redakteure und 32 Tage für über 50-Jährige gekürzt werden. Statt der zweijährigen Nullrunde bot der BDZV eine Nullrunde bis Sommer und danach eine Gehaltserhöhung von einem Prozent. „Das kann nicht das Endergebnis sein“, hieß es beim DJV.
Dass die Journalisten erstmals seit 15 Jahren auf die Straße gehen, zeigt: Es ist nicht die übliche Auseinandersetzung im Tarifgeschäft. Auch wenn die Werbekonjunktur nach Meinung einzelner Verlage allmählich wieder anzieht: Das alte Modell, wonach sich eine klassische Tageszeitung zu mindestens zwei Dritteln aus der Werbung und nur zu einem Drittel aus dem Verkauf per Abo oder am Kiosk finanziert, funktioniert nicht mehr. Dauernde Preiserhöhungen sind nicht durchsetzbar, und so folgt jetzt der Durchgriff auf die Redaktionen. Bei den streikenden Redakteuren „geht es doch gar nicht um 1,2 Prozent mehr Gehalt oder weniger Urlaubsgeld“, heißt es bei den Betriebsräten der WAZ-Gruppe. Wenn aber, wie vom Verlegerverband gefordert, der Jahresurlaub um eine Arbeitswoche gekürzt wird „kann man sich ja ausrechnen, wie viele Stellen dann demnächst noch abgebaut werden können“. Zwar ist derzeit die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche für Redakteure offiziell aus den Verhandlungen ausgeklammert, doch „die Forderung kommt noch mal“, heißt es auch bei der Neuen Westfälischen (NW) in Bielefeld – und damit weitere Möglichkeiten zum Stellenabbau. „Und das geht dann voll an die Substanz – und an die Qualität der Redaktionsarbeit.“
Wie viel die Öffentlichkeit vom Streik mitbekommt, ist von Blatt zu Blatt höchst verschieden. „Es ist schon frustrierend“, sagt ein streikender WAZler, „am Umfang im Hauptteil fällt leider so gut wie gar nichts auf, obwohl einige Redaktionen fast leer sind“. Freie Mitarbeiter und Volontäre haben nun viel zu tun – Letztere meist unfreiwillig: „Volontäre werden massiv unter Druck gesetzt“, heißt es bei der NW. Sollten sie mitstreiken, drohte der Verlag am Dienstag die üblichen dreimonatigen Anschlussverträge nach Ende der Ausbildungszeit zu streichen.