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Archiv-Artikel

Mozart an der Platte

Der Schwede Jan-Ove Waldner bestimmt seit über 20 Jahren das internationale Tischtennis. Bei Olympia in Athen will er noch einmal zu Hochform auflaufen

BERLIN taz ■ Mit zwölf spielte er in der ersten schwedische Liga und gehörte der Männer-Nationalmannschaft an, mit 16 stand er im EM-Finale, nächstes Jahr wird er 40. Und dennoch ist Jan-Ove Waldner auch dieses Wochenende beim Top-12-Turnier wieder mit von der Partie. In Frankfurt ist er zwar nur Nachrücker, aber immerhin. Und überhaupt: 17-mal war er bereits für das Turnier der besten zwölf europäischen Tischtennis-Cracks qualifiziert, siebenmal hat er es gewonnen. „Viele dachten vor acht, neun Jahren schon, ich sollte aufhören, aber das wäre ein Fehler gewesen“, glaubt das schwedische Tischtennis-Genie. Anders Johansson weiß auch warum. Johansson, der heute den Bundesligisten TTC Karlsruhe-Neureut betreut, war viele Jahre im Trainerstab des schwedischen Nationalteams. Er sagt: „Waldner ist der beste Tischtennisspieler, der je geboren wurde.“

In Frankfurt gehört „Waldi“ allerdings nicht mehr zu den Favoriten. Als Anwärter für den Titel werden eher Titelverteidiger Timo Boll, Weltmeister Werner Schlager oder Europameister Vladimir Samsonov genannt. „Platz drei bis sechs traue ich ihm zu“, meint Johansson und sagt: „Er kann nicht mehr jeden schlagen, der schwedische Nationaltrainer meint jedoch, dass er gerade wieder zu alter Form findet.“ Die ist ihm zuletzt ein wenig verloren gegangen. Bei Olympia 2000 stand er trotz ein paar Kilo zu viel noch einmal im Finale. Dann warfen ihn Verletzungen zurück, 2003 scheiterte er bei der WM schon in Runde eins. „Es ist härter geworden, sich international zu behaupten“, sagt Waldner.

„Er zerlegt gerade die fünfte oder sechste Generation von chinesischen Topspielern“, sagt Johansson. Sein Ausnahmekönnen, in der Branche wird der Virtuose respektvoll Mozart genannt, ist da nur die Voraussetzung. „Er ist eine Legende“, erklärt Johansson, „seine Gegner bekommen eine braune Hose, wie wir in Schweden sagen, wenn sie gegen ihn am Tisch stehen.“ Auch in der Bundesliga scheint dieser Effekt zu greifen. Er brauche noch einmal eine neue Herausforderung, ließ Waldner im Sommer vermelden und heuerte beim schwäbischen SV Plüderhausen an. Auch wenn er nicht mehr in der Form ist, in der er 1992 in Barcelona olympisches Gold gewann, reicht es noch zu einer Bilanz von 7:8 im Spitzenpaarkreuz. Wie ernst er den Auftritt in Frankfurt nimmt, ist fraglich. „Wer 20 Jahre oben mitspielt, kann nicht immer in guter Form sein“, sagt der alte Schwede. Doch Johansson kennt seinen Weggefährten: „Wenn es ihm wichtig ist, wird er sehr gut vorbereitet sein.“ Spätestens bei Olympia in Athen wird dies erwartet. Und nach zwei WM-Titeln im Einzel will er dann nächstes Jahr in Schanghai bei der WM seine Karriere „würdevoll beenden“.

In Plüderhausen spielt er mit einem leistungsbezogenen Vertrag, immerhin steht der Magier mit dem lockeren Händchen im Verdacht, seine Gegner ganz gern seine Überlegenheit spüren zu lassen und dabei Spieltrieb über die nackte Effektivität zu stellen. In der Bundesliga will man jedoch Siege sehen. Auch mit der Trainingsdisziplin des dunkelblonden Weltstars soll es nicht immer so weit her sein. Über den Mythos, Waldner trainiere nie und gewinne alles, lächelt Johansson freilich: „Er hat in seinem Leben so viel Zeit trainiert wie der fleißige Jörg Roßkopf. Als Knirps hat er vor der Schule eine Stunde Aufschläge geübt. Er hat von 8 bis 28 viel investiert.“ Davon zehrt er noch heute. KLAUS TEICHMANN