: Al-Nur-Moschee im Visier
Bundeskriminalamt: Der Terrorverdacht gegen den in Neukölln verhafteten Tunesier verdichtet sich. Generalbundesanwalt ermittelt weiter gegen Al-Nur-Moschee. Kontakte nach Saudi-Arabien?
von ADRIENNE WOLTERSDORF
Der vergangene Woche in Berlin-Neukölln festgenommene Tunesier Ihsan G. (die taz berichtete) soll direkten Kontakt zu Extremistenführer Ussama Bin Laden gehabt haben. Dahin gehende Terrorverdächtigungen sollen sich verdichtet haben, berichtete das Magazin Focus am Wochenende. Fünf Jahre lang soll der 32-jährige Mann Islamisten aus aller Welt in afghanischen Lagern des Terrornetzwerkes al-Qaida ausgebildet haben, meldete das Magazin unter Berufung auf vertrauliche Berichte des Bundeskriminalamtes (BKA).
Der mutmaßliche Terrorist, der sich in der Neuköllner Al-Nur-Moschee aufhielt, kam demnach Anfang Februar im Auftrag von al-Qaida nach Deutschland, „um moslemische Studenten und Asylbewerber zu rekrutieren und in terroristischen Kampfmethoden und Strategien auszubilden“.
Die Berliner Behörden hatten kürzlich Ihsan G. und fünf weitere Personen im Zuge einer Razzia in der überwiegend von arabischen MigrantInnen besuchten Moschee an der Haberstraße festgenommen. Die fünf, darunter der Imam und sein Bruder, wurden kurze Zeit später wieder freigelassen. Gegen den Tunesier erging Haftbefehl wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Urkundenfälschung. Bei ihm wurde neben Sprengstoffutensilien und einer Pistole auch ein gefälschter portugiesischer Pass gefunden. Gegen die sechs Männer ermittelt Generalbundesanwalt Kay Nehm wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Ziel der Vereinigung soll sein, arabische Studenten anzuwerben und sie in naher Zukunft Sprengstoffattentate in Deutschland verüben zu lassen.
Laut der Analyse des BKA belegt der Fall des Tunesiers, „dass sich in Deutschland ein nicht näher zu bezifferndes Potenzial an islamischen Kämpfern aufhält“. Zudem werde deutlich, „dass islamische Moscheen Bedeutung als Anlaufstellen für potenzielle Attentäter haben“. Zuvor hatten Beamte des BKA davor gewarnt, in allen Kontakten islamischer Organisationen automatisch eine Verbindung zur Terrorszene zu vermuten.
Nicht bestätigt wurden bislang Hinweise, wonach Teile des Grundstücks der Al-Nur-Moschee einem Scheich aus Riad gehören. Die Behörden wollen deshalb bislang nicht ausschließen, dass auch über Saudi-Arabien Kontakte zu al-Qaida bestehen könnten. Nach Informationen der taz erhielt der Imam Salem El Rafei, ein 42-jähriger Libanese, der unter anderem in Saudi-Arabien studiert haben soll, bereits Mitte der 90er-Jahre vom dortigen Religions- und Missionsministerium monatlich rund 1.000 Dollar Unterstützung. Noch 1996 bestritt der Bruder des Imams, der Kulturbeauftragte des heute rund 1.500 Mitglieder zählenden Trägervereins „Islamische Gemeinschaft Berlin e. V.“, Kamal Rafei, dass die Moschee „politisch orientiert“ sei. Nur zwei Jahre später fand dort ein Kongress statt, bei dem unter anderen ein hamasnaher Denker sowie ein Exsprecher der berüchtigten Muslimbruderschaft referierten. Als suspekt gilt die Al-Nur-Moschee den Verfassungsschützern seit 1996: „Die politische Einstellung der sich dort treffenden Muslime gibt Anlass zur Sorge.“
Imam Salem El Rafei selbst bestritt vergangene Woche die aktuellen Vorwürfe der Generalbundesanwaltschaft. „Nichts davon ist wahr“ sagte El Rafei. Terror, so der Geistliche, widerspreche der islamischen Lehre.