unterwegs als luftpirat von RALF SOTSCHECK
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In Kriegszeiten muss man besonders vorsichtig sein. Der Sicherheitsbeamte auf dem Frankfurter Flughafen war sich seiner verantwortungsvollen Aufgabe bewusst, und er meisterte die Herausforderung mit Bravour. Der achtjährige Junge und das zehnjährige Mädchen, die vor mir durch den Metalldetektor gehen wollten, hatten zwei Stücke Handgepäck dabei – darin zwei große, knallbunte Wasserpistolen aus Plastik. „Ja, was haben wir denn da“, freute sich der Beamte. „Damit dürfen sie nicht ins Flugzeug.“ Die Eltern wandten ein, dass es sich um Spielzeug, noch dazu ungeladenes, handle, doch der Beamte blieb unerbittlich: „Waffe ist Waffe.“ Die Massenbefeuchtungswaffen wurden beschlagnahmt.

Danach war ich an der Reihe. „Ausziehen!“, befahl der Sicherheitsmensch und deutete auf meine Jacke. Ich fragte ihn: „Wollen Sie auch die Münzen?“ „Natürlich“, antwortete er, die seien schließlich aus Metall. Auf dem Dubliner Flughafen sei das nicht nötig, entgegnete ich, die Detektoren können Kleingeld von Kleinfeuerwaffen durchaus unterscheiden. Es handle sich wohl um intelligentere Maschinen – und um intelligentere Sicherheitsbeamte, wollte ich schon hinzufügen, ließ es aber besser bleiben, da ich meinen Flug nicht verpassen wollte.

Der Metalldetektor piepste auch ohne die Münzen in meiner Hosentasche. Lag es an meiner Brieftasche? Der Beamte öffnete sie und zog triumphierend ein scheckkartengroßes Plastikset mit Lineal, Kugelschreiber, Nadel und Faden heraus. „Was ist denn das? Das darf doch nicht wahr sein“, rief er. Er möge sich beruhigen, riet ich ihm: Das dazugehörige Messer hätten seine wachsamen Kollegen bereits vor einem halben Jahr beschlagnahmt. Er wollte sich aber nicht beruhigen und zog eine drei Zentimeter lange Nagelfeile aus dem Plastikset. „Ach“, rief er, „und das? Ist das vielleicht keine Waffe?“ Es sei eine Nagelfeile, erklärte ich und fragte ihn, ob er befürchte, ich würde dem Piloten androhen, ihm die Fußnägel wegzufeilen, falls er mich nicht umgehend nach Kuba brächte?

Mein Sarkasmus verdarb ihm restlos die Laune. Mit hochrotem Kopf hielt er das inkriminierte Manikürwerkzeug in die Luft und rief seinen Kollegen an den anderen Detektoren lauthals zu: „Seht mal, was dieser Typ hier durchschmuggeln wollte!“ Die anderen Reisenden, darunter ein älteres Berliner Ehepaar, rückten vorsichtshalber einen halben Meter von mir ab. Für drei Euro könne ich das Plastikset am Flughafen deponieren, meinte der Beamte. Ich verzichtete, und so wanderte meine luftpiratische Grundausstattung zu den beiden Plastikwasserpistolen in den Korb mit der Aufschrift: „Terroristische Utensilien.“ Die Flasche Wein, deren abgeschlagener Hals eine weitaus wirksamere Waffe als die Minifeile abgeben könnte, blieb unbeanstandet.

Im Flugzeug stellte ich fest, dass mein Sitzplatz ausgerechnet neben dem furchtsamen Berliner Ehepaar lag. „Na“, fragte der Mann, „ham’Se noch’n paar Messer dabei?“ Messer seien doch Kinkerlitzchen, antwortete ich zweideutig und bescherte den beiden einen unruhigen Flug.