: Andreas Nachama kaltgestellt
Liberaler Rabbiner steht nicht mehr auf den Predigerlisten der Jüdischen Gemeinde. Hintergrund ist offenbar der Dauerstreit mit orthodoxem Vorstand
„Es geht um die letzte Bastion des liberalen Judentums in Berlin.“ Der Rabbiner der jüdischen Gemeinde am Hüttenweg, Andreas Nachama, sieht sich als Opfer einer Reihe von Angriffen aus dem konservativ dominierten Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Nachama ist in der derzeit vorliegenden Predigerliste der Berliner Synagogen nicht vorgesehen. Dies könnte bedeuten, dass Nachama nicht mehr als Rabbiner wirken könnte.
Nachama gilt als einer der einflussreichsten liberalen Rabbiner in Deutschland. Er war Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Berlin und ist mittlerweile Direktor der Gedenkstätte „Topographie des Terrors“. In Nachamas Gemeinde am Hüttenweg beten Frauen und Männer nebeneinander, und zwar häufig in Deutsch anstatt in Hebräisch. Im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Berlins gab es schon längere Zeit Unzufriedenheit mit der Rabbinertätigkeit Nachamas. Dem von orthodoxen Hardlinern dominierten Vorstand steht aber eine mehrheitlich liberal orientierte Jüdische Gemeinde gegenüber. Die daraus resultierenden Spannungen brachen zuletzt im Herbst hervor, als der Vorstand versuchte, den Mietvertrag für die Gemeinde am Hüttenweg zu kündigen.
Offenbar gibt es nun einen neuen Versuch, Nachamas Rabbinertätigkeit zu unterbinden. Nachama steht nach mehreren Jahren ehrenamtlichen Rabbinerdienstes plötzlich nicht mehr auf den Predigerlisten für die Monate April und Mai. Auch für das wichtige Pessach-Fest ist er nicht eingetragen. Auf den Listen steht stattdessen nur sein Sohn, der eine Ausbildung zum Kantor absolviert. Nachama selbst wurde darüber nach eigenen Angaben nicht informiert. Er sieht sich als Opfer seiner liberalen Gesinnung, will aber weiter als Rabbiner predigen.
Es ist also vorstellbar, dass der liberale Rabbiner trotz des Absetzungsversuchs weiterhin am Hüttenweg predigen wird. Unklar ist auch sein Engagement im Jüdischen Altersheim in der Herbertstraße. Dort ist Nachama seit fünf Jahren ehrenamtlich tätig. In jedem Fall wird es wohl bei der nächsten Repräsentantenversammlung am 30. April heftigen Streit um den Fall Nachama geben.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner, sowie Kultusdezernent Natan Del waren gestern für keine Stellungnahme zu erreichen. „Die Einheitsgemeinde ist einheitlich konservativ“, soll Dell aber zu einem früheren Zeitpunkt die ideologische Zielrichtung des Vorstands zusammengefasst haben. STEFAN WELLGRAF