: Rieger aus dem Haus
Das Örtchen Faßberg will ein von Nazi-Anwalt Jürgen Rieger umschwärmtes Gasthaus nun doch selbst kaufen
Den Beschluss fasste der Gemeinderat einstimmig: Das niedersächsische Faßberg, unweit von Celle gelegen, will von seinem Vorverkaufsrecht für das „Landhaus Gerhus“ Gebrauch machen. Montag Nachmittag entschied der Rat um Bürgermeister Hans-Werner Schlitte, entsprechende rechtliche Schritte einzuleiten. Den Hintergrund bilden Befürchtungen, dass man andernfalls bald ein Neonazizentrum beherbergen könnte.
Vor knapp einem Monat hatte der Hamburger NPD-Landeschef und einschlägig umtriebige Rechtsanwalt Jürgen Rieger verkündet, das Landhaus „für national denkende Menschen“ betreiben zu wollen, und den zum dem Anwesen gehörigen Campingplatz gleich mit. Es blieb nicht bei vollmundigen Worten: Am 17. Oktober erschien Rieger im Celler Amtsgericht bei der Zwangsversteigerung für das 80-Betten-Hotel und legte einen Kaufvertrag vor. Die Versteigerung musste unterbrochen werde. Im Vorfeld hatte sich der Jurist mit der Erbengemeinschaft geeinigt – einer 68-jährigen Witwe und ihren zwei Söhnen. Für rund 1,2 Millionen wollte er das Anwesen erwerben, hinterließ gleich rund 100.000 Euro als Bietersicherheit bei Gericht.
Die Gemeinde hatte diese Entwicklung kommen sehen: Schon 2006 war das Gerücht umgegangen, Rieger habe Interesse an der Immobilie. Im September 2007 sicherte sich der Gemeinderat das Vorkaufrecht für das Anwesen. Irritationen traten dann nach Riegers Auftritt bei der Zwangsversteigerung auf: Im Grundbuch war das Vorkaufsrecht nicht eingetragen worden.
Mit dem Beschluss vom Montag ist Riegers Kaufabsicht nun grundsätzlich gescheitert. Jetzt dürfte dank des Neonazis aber ein weiterer Immobilienpoker losgehen: Schon die niedersächsische Stadt Dörverden kaufte aus Angst vor Rieger einen Hotelkomplex – völlig überteuert.
Nun suche man das Gespräch mit der Erbengemeinschaft, sagt Faßbergs Bürgermeister Schlitte. Zugleich deutet er an, die Noch-Eigentümer versuchten, „mit Rieger den Preis hochzutreiben“: Dieser hätte das Hotel bei der Versteigerung auch gleich haben können. Und das für rund 750.000 Euro – statt angeblicher 1,2 Millionen. ANDREAS SPEIT