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Archiv-Artikel

„SARS ist nicht Ebola“

Die widersprüchlichen Meldungen der letzten Tage tragen nicht zu einem angemessenen Umgang mit dem Virus bei

Der Erreger könnte auch über die Luft oder das Wasser übertragen werden

BERLIN taz ■ Trockener Husten, Fieber, Atemnot, eventuell Muskelschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden. Bis vor zwei Wochen hätte jeder Arzt noch auf eine Grippe oder schwere Erkältung getippt. Doch seit die Berichte über das mysteriöse „schwere akute respiratorische Syndrom“ (SARS) in Südostasien immer beunruhigender werden und jetzt auch der erste „echte“ Infektionsfall in Deutschland registriert wurde, wird die Angst vor einer gefährlichen Epidemie auch hierzulande immer größer.

Doch es besteht kein Grund zur Panik, geben die Experten Entwarnung. „Es ist nicht Ebola, es sind nicht die Pocken“, versucht Lutz Freitag von der Lungenklinik Hemer in Nordrhein-Westfalen zu beruhigen. Freitag gehört zu dem Ärzteteam, das den ersten deutschen SARS-Patienten behandelt. Der 72-Jährige aus Hattingen war vor zwei Wochen von einer Vietnamreise zurückgekehrt. Wenige Tage später klagte er über hohes Fieber und Husten. Am 21. März war er daraufhin in die Fachklinik eingeliefert worden. Der Patient ist inzwischen beschwerdefrei. „Er hat es mit seinen normalen Abwehrkräften weggesteckt“, berichtet Freitag.

Völlig unklar ist noch die Lage in der südchinesischen Provinz Guangdong, für die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Reisewarnung ausgegeben hat. Dort sind bereits im November die ersten SARS-Fälle registriert worden. Die WHO vermutet daher auch dort den Ursprung der Infektion. Doch lange Zeit verweigerte die chinesische Regierung jede Information über das Ausmaß der Verbreitung. Die WHO, die mit einem weltweiten Alarmsystem und Expertenteams auf das Auftauchen neuer und alter Seuchen vorbereitet ist, ist auf Kooperationsbereitschaft angewiesen. Erst auf Druck und die Drohung hin, wieder abzureisen, gestattete die Pekinger Regierung gestern einem seit Tagen in Warteposition stehenden Expertenteam, in die betroffene Provinz zu reisen.

Noch sind die Mediziner und Virologen nicht sicher, welcher Erreger für SARS verantwortlich ist. Mediziner und Virologen am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) gehen davon aus, dass ein Virus aus der Familie der Coronaviren an der Lungenerkrankung maßgeblich beteiligt ist. Coronaviren kommen vor allem im Tierreich vor und sind bisher nur als Auslöser harmloser Erkältungen aufgefallen. Ob es der einzige Erreger ist, muss noch geklärt werden. In der Diskussion ist noch ein Paramyxovirus.

Erst wenn der SARS-Verursacher identifiziert ist, kann nach einem wirksamen Medikament gesucht werden. Auch für eine schnelle Diagnose, ob ein Patient an SARS erkrankt ist oder nur an einer Grippe oder einer „gewöhnlichen“ Lungenentzündung, ist es wichtig, den Verursacher zu kennen. Zwölf Verdachtsfälle hat das Berliner Robert-Koch-Institut inzwischen in Deutschland registriert. Bei mehreren Verdachtsfällen konnte in den letzten Tagen eine SARS-Erkrankung ausgeschlossen werden. Um unbegründeten Ängsten oder gar einer Panik zu steuern, ist eine schnelle Diagnostik unumgänglich. Denn vor allem im Umfeld der Betroffenen besteht immer die Befürchtung, sich angesteckt zu haben.

Eine große Unbekannte ist derzeit auch noch das Ansteckungsrisiko. Die widersprüchlichen Meldungen der letzten Tage tragen nicht gerade zur Klärung bei. Erst hieß es, das Ansteckungsrisiko sei gering. Nur bei direktem Kontakt mit einem Infizierten bestehe Gefahr. Für diese Einschätzung spricht, dass sich weder Flugzeugpassagiere, die zusammen mit einem SARS-Erkrankten reisten, noch Personen, die mit dem Patienten in der Lungenklinik Hemerin Kontakt gekommen waren, infiziert haben. Nicht ausgeschlossen werden kann aber, dass der Erreger auch über die Luft oder das Wasser verbreitet wird. Bei der WHO geht man davon aus, dass verschiedene Patienten auch unterschiedlich stark ansteckend sind. „Es gibt große Unterschiede bei dem Virus“, sagte der britische WHO-Experte Meirion Evans. WOLFGANG LÖHR