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Archiv-Artikel

Wo der Moorfrosch blau wird

BUND wirft Senat fahrlässigen Umgang mit Hamburgs Marschengräben vor: Schadstoffe und zu hohe Wasserstände gefährden Flora und Fauna. Umweltbehörde interessiert das nicht

Hasen ertrinken in den Wettern, und die Moorjungfer kann keine Eier mehr ablegen

von GERNOT KNÖDLER

Wenn beim Moorfrosch im Frühling die Säfte steigen, dann macht er auf blau. Während der Laichzeit verfärbt sich das Männchen oft am ganzen Körper – eine Folge der Lymphflüssigkeit, die sich während der Winterstarre unter der Haut ansammelt. „Man denkt, da stimmt was nicht“, sagt Horst Schröder. Der Biologe hat für den Umweltverband BUND im Naturschutz-Informationshaus Schafstall in Neugraben eine Ausstellung über „Hamburgs verborgene Naturschätze“ gestaltet: die Marschengräben und Wettern. Der BUND wirft dem Senat und speziell der so genannten Umweltbehörde von Schill-Senator Peter Rehaag vor, diesen verborgenen, aber vielfältigen Lebensraum durch zum Teil rechtswidrige Untätigkeit und Nachlässigkeit zu bedrohen.

Wie der Biologe Schröder in der kleinen Ausstellung vorführt, hat der Moorfrosch in den Wettern eine Menge Mitbewohner. Dazu gehören Fische wie der Bitterling oder der Schlammpeitzger, der manchmal knurrt, wenn man ihn aus dem Wasser nimmt; Molche lassen ihre Larven in den Gräben wachsen und die Moorjungfer, eine Libelle, die auf der EU-Liste der besonders zu schützenden Arten steht, klebt ihre Eier an die Krebsschere. Fehlt diese im Wasser schwimmende Pflanze, kann die Moorjungfer sich nicht fortpflanzen.

Um diese Lebewesen zu schützen und die vielen anderen, die seit Alters her in der Marsch zuhause sind, kämpft der BUND seit Jahren um die Einhaltung möglichst hoher Wasserstände. Demgegenüber glauben die Gemüse-Bauern, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt in der Marsch breit gemacht haben, auf niedrige Wasserstände angewiesen zu sein. Andernfalls würden sie mit ihren Maschinen im Schlamm versinken, befürchten sie. Der Senat entschied sich schließlich für einen Kompromiss: Er setzte einen Mindestwasserstand fest. Niedriger zwar, als ihn die Naturschützer gerne gehabt hätten, aber dafür garantiert und mit einem Monitoring versehen.

Die Begleitforscher stellten nach Angaben des BUND fest, dass die Zahl der Amphibien und Libellen in der Marsch im Vergleich der Jahre 2001 und 2002 zurückging. Gleichzeitig entzog ein weiteres Gutachten den Befürchtungen der Gemüse-Bauern die Grundlage: Die Beetgräben und Wettern dienten der Ableitung des Oberflächenwassers auf dem wenig aufnahmefähigen Kleie-Boden, nicht der Trockenlegung der Äcker. „Eine Erhöhung der Grundwasserstände aufgrund des höheren Wasserstandes in den Wettern ist nicht zu erkennen“, schreiben die Gutachter. Niedrige Wasserstände in den Gräben schadeten also der Natur, während sie den Bauern keine Vorteile brächten, fasst Harald Köpke vom BUND zusammen.

Allein die Tatsache, dass die Bestände an Amphibien und Libellen zurückgegangen seien, müssten nach Köpkes Ansicht die Umweltbehörde zum Einschreiten veranlassen. Außerdem seien Nebenvereinbarungen im Rahmen des Kompromisses nicht eingehalten worden: Weil die steilen Uferbefestigungen der Gräben nicht gesenkt wurden, ertrinken noch immer Tiere in den Gräben. Köpke zeigt das Foto eines im Wasser treibenden toten Hasens, dem es, einmal in den Graben gestürzt, nicht gelang, wieder an Land zu kommen.

„Wir fordern nichts anderes als die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen“, sagt Köpke. Demnach hätten vermeidbare Beeinträchtigungen der Gewässer zu unterbleiben. In Hamburg werden diese oft gar nicht festgestellt, weil die Stadt daran nicht besonders interessiert zu sein scheint. Ende 2000 ging die Zuständigkeit für die Kontrolle des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln von den Bezirksämtern auf das Institut für Angewandte Botanik (IAB) der Universität Hamburg über, das auch als Amt für Pflanzenschutz fungiert. Das Institut erhält dafür pro Jahr 15.000 Euro für Investitionen und Verbrauchsmittel plus 1000 Euro für chemische Analysen.

„Das Problem ist, dass die chemischen Analysen sehr viel kosten“, sagt Professor Ulrich Zumke vom IAB. 400 Euro habe allein die Untersuchung einer Probe auf zwei Wirkstoffe durch ein privates Labor gekostet. Außerdem fehlt es Zumke, einem Zoologen, der vor allem Bauern im integrierten Pflanzenschutz berät, an Unterstützung. Er fragt sich, warum von der für die Landwirtschaft zuständigen Wirtschaftsbehörde „kein Mensch für Kontrollen eingesetzt wurde“ – etwa ein Ingenieur, der sich mit der technischen Seite des Einsatzes von Spritzmitteln auskenne.

Den BUND jedenfalls würde es sehr interessieren, ob der intensiv betriebene Gartenbau etwa in den Vier- und Marschlanden dazu führt, dass verbotenes Gift in den Gräben landet und den Tieren und Pflanzen mehr Stress macht, als sie ohnehin schon haben. Schließlich müsste ja einer beizeiten Alarm schlagen, bevor der Moorfrosch auf Dauer blau macht.