Lärmfreies Wohnen in Nippes

Kölns erste autofreie Siedlung entsteht auf einem früheren Eisenbahn-Ausbesserungswerk in Nippes. 500 Wohneinheiten sind geplant. Die Investitionssumme wird auf 250 Millionen Euro geschätzt

VON KIRSTEN PIEPER

Auf dem ehemaligen Eisenbahn-Ausbesserungswerk (EAW) in Nippes wird es zukünftig keinen Motorenlärm mehr geben. Wo früher Güterzüge rangierten und Motoren repariert wurden, entsteht nun die erste „autofreie“ Siedlung der Stadt. Der Investor Kontrola bezeichnet die Fläche als eines der wenigen verbliebenen „Filet-Grundstücke“ der Domstadt. Branchenkenner beziffern die Investitionssumme auf rund eine Viertel Milliarde Euro. Seit knapp zehn Jahren kämpft der „Arbeitskreis Autofreie Siedlung Köln e. V.“ für die Verwirklichung eines „autofreien“ Modellprojektes. Mitte Januar hat der Investor Kontrola nun einen Optionsvertrag für eine vier Hektar große Fläche unterschrieben. In drei Monaten solle das genaue Konzept vorgelegt werden, so Kontrola-Geschäftsführer Markus Schwerdtner.

Nach dem Stand der Planung geht Schwerdtner von rund 500 Wohneinheiten aus, davon 50 Einfamilienhäuser – bei einer durchschnittliche Größe von 75 Quadratmetern. 40 Prozent der Wohnungen sollen öffentlich gefördert werden. Der Geschäftsmann ist von dem Erfolg des Projektes überzeugt: „Das Stück Phantasie, das wir mitverkaufen, hat ein enormes Wertsteigerungspotenzial.“ Über die Finanzierung schweigt er sich aus. Im Jahr 2002 setzte die Firma Projekte in Höhe von 17,6 Millionen Euro um – nur ein Bruchteil der Summe, die für das Vorhaben in Nippes veranschlagt wird.

Nach drei Jahren „intensiver“ Zusammenarbeit mit dem Investor dürfte der autofreien Siedlung nun nichts mehr im Weg stehen, sagt Angela Schneider-Sedlaczek vom Arbeitskreis. Sie selbst lebt ohne Auto, genau wie 142.000 weitere Haushalte in Köln. „Über tausend Leute sind an solchen Wohnungen interessiert, davon 750 konkret an dem Gelände in Nippes.“ Ein Fünftel der Interessenten hätten noch ein Auto, wollen aber darauf verzichten, wenn sie eine Infrastruktur vor der Tür hätten, mit der sich „autofrei“ leben lasse.

Für die wenigen ganz unvermeidlichen Autofahrten ist ein so genanntes „Mobilitätszentrum“ vorgesehen. Dort können die Bewohner gelieferte Dinge, zum Beispiel Lebensmittel, abholen. Für große Transporte soll es einen Car-Sharing-Pool geben, in Fußnähe einen Taxistand. Außerdem denkt der Arbeitskreis über ein „Siedlungsticket“ für öffentliche Verkehrsmittel nach. Ähnlich wie ein Jobticket sollen die Bewohner zu vergünstigten Konditionen öffentliche Verkehrsmittel nutzen können.

„Im Anschluss an einen Kongress der Grünen im September 1994 haben wir uns zusammengetan“, sagt Gründungsmitglied Rolf Bauerfeind. Er vergleicht die Entwicklung des 150 Mitglieder zählenden Vereins mit der der Grünen: „Die Fundamentalisten sind im Laufe der Zeit weggeblieben. Zuerst haben wir die Stadt mit einem strengen Bewertungskatalog nach passenden Standorten abgegrast – da wurden Fußwege zum Bäcker, zum Kindergarten oder zur Bahn abgelaufen“, so Bauerfeind.

Zwei Grundstücke kamen in die engere Wahl: Das EAW in Nippes und das Gelände einer ehemaligen belgischen Kaserne in Dellbrück. Gegen die Pläne in Dellbrück habe sich damals eine Bürgerinitiative gegründet, so Bauerfeind, „aus Angst, die Besucher der Bewohner würden ihre Autos in den angrenzenden Straßen parken“. Das sei „absurd, denn jede konservative Bebauung wäre auf mehr Verkehr hinausgelaufen“, sagt Bauerfeind. Kölns Stadtrat schmetterte die Dellbrücker Pläne 2001 ab. Begründung: Zwei Projekte gleichzeitig seien nicht verwirklichbar. Jetzt setzt der Verein auf Nippes.