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Archiv-Artikel

Berlin backs John Kerry

Ortsverein der Democrats lud US-Berliner zur Vorwahl des Anti-Bush-Kandidaten. Basisdemokratisch suchten sie Delegierte, die Delegierte wählen, die eine Delegation zum Parteitag in Boston schicken

VON ARNO HOLSCHUH

Für im Ausland lebende Amerikaner wirkt der derzeitige Vorwahlkampf der Demokratischen Partei wie eine höllische Party, zu der man aber nicht eingeladen ist. Doch am Sonntagabend durften auch die in Berlin lebenden Amerikaner mitfeiern. Denn der Ortsverein der Democrats Abroad (Demokraten im Ausland) hatte zum Caucus (siehe Kasten) gebeten – stilgerecht in einem American Diner im tiefen Westen am Theodor-Heuss-Platz. Hier wurde, sogar von den Kellnern, nur noch amerikanisches Englisch gesprochen. Burgergeruch und Freundlichkeit lagen in der Luft.

George Korn, Vorsitzender der Berliner Democrats Abroad, gratulierte zunächst seinen erschienenen Mitbürgern. Denn in den Chrom- und Leder-Sitzen des Hinterzimmers hatten sich mehr Leute niedergelassen als bei jedem Berliner Caucus zuvor. „Vor vier Jahren hatten wir nur 20 Leute hier. Jetzt haben wir 70“, lobte Korn. Allerdings leben laut US-Konsulat rund 10.000 Amerikaner in Berlin. Da dem Ortsverein aber keine Gelder für Werbung zur Verfügung gestellt werden, muss er sich damit zufrieden geben.

Anschließend durfte jede Kampagne fünf Minuten für ihren Kandidaten werben. Es gibt nichts Charmanteres, als überzeugte, aber absolut unbeholfene Redner – und von denen gab es gleich fünf. Die Argumente waren nicht neu: Howard Dean sei aufrichtig und habe sich gegen den Krieg ausgesprochen, General Wesley Clark sei eine Mischung aus Südstaatler und Liberalem, genau wie Clinton.

Interessant wurde es erst, als John Kerrys Kampagne an die Reihe kam. Ein junger Mann versuchte es zuerst mit faulem Wortwitz. Schließlich zog er sich auf das schlagende Argument zurück, dass Kerry die besten Chancen gegen Bush hat. Die politischen Pläne des Senators erwähnte er gar nicht. Applaus erntete er nur mit der Bemerkung, dass Kerry schon heute in den Umfragen besser als Bush abschneide. Da er seine Redezeit nicht aufbrauchte, meldete sich noch eine Frau, um für Kerry zu sprechen. Sie brachte es auf den Punkt: „Ich bin von John Kerry enttäuscht, weil er Bush beim Irakkrieg unterstützt hat, und ich werde weder vergessen noch vergeben. Aber ich will meine Stimme nicht verschenken, und Kerry kann gewinnen.“

Klare Worte, die ihr Ziel nicht verfehlten: In Kerrys Ecke sammelten sich später 28 Unterstützer. Dean landete mit 22 Stimmen auf Platz zwei, vor Clark mit 8 und John Edwards mit 5. Ein Einzelkämpfer befürwortete noch den Dauerkandidaten Al Sharpton, der sein Glück bei jeder Wahl seit Jahren versucht und noch nie eine Chance hatte.

Dann begann das eigentliche Chaos: Jeder der größeren Gruppen versuchte, die Stimmen der erfolgloseren Kandidaten zu gewinnen. Laute Diskussionen und große Gestik wurden ab und zu von dem Kellner unterbrochen: „Wer hat hier den Cheeseburger bestellt?“

Zehn Minuten später saßen alle wieder in ihren Ecken, um das endgültige Resultat zu hören: Kerry 27, Dean 26, Clark 11. Kerry bekam nach den akribischen Regeln des Caucus zwei Delegates, Dean und Clark je einen. Das erregte Unmut in der Deangruppe: „Wieso kriegen wir nur einen Delegierten, wenn wir doppelt so viele sind wie Clark?“ So sind die Regeln, hieß es vom Vorsitz, wir haben sie nicht geschrieben. „Und wer hat sie geschrieben?“, rief eine Frau aus der Dean-Gruppe. „Die Bonzen in Washington, oder? Die werden noch von mir hören, darauf können Sie sich verlassen!“ „Schon gut“, mahnte ein anderer Dean-Unterstützer. „Wir müssen den Regeln folgen, wie sie geschrieben stehen.“ Dann fügte er lächelnd hinzu: „Schließlich sind wir hier nicht in Florida.“

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