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Archiv-Artikel

RIESTER-RENTE: EIN PROJEKT FÜR DIE MITTELSCHICHT Es gibt auch arme Menschen

Kleine Quizfrage: Was ist der Unterschied zwischen der Riester-Rente und der Eichel-Förderung? Den meisten Deutschen dürfte eine Antwort schwerfallen. Sie sind in einen Konsumentenstreik getreten und haben sich einfach geweigert, sich in die komplizierten Konditionen einzuarbeiten. Insofern ist es nur zu begrüßen, dass die Grünen jetzt vorschlagen, die Riester-Rente um ein ganz simples Modell zu ergänzen: Sie fordern ein individuelles „Altersvorsorgekonto“. Jeder Beschäftigte soll jährlich 3.000 Euro von der Steuer absetzen können, wenn er durch private Kapitalanlagen sein Alter zusätzlich absichert. Und dabei soll ganz egal sein, ob man beispielsweise ein normales Sparkonto, einen Fonds oder eine Lebensversicherung wählt. Auch Riester-Renten könnten in diesen neuen Rahmen eingebracht werden.

Die Grünen schlagen also eine Verbesserung vor – aber das macht aus einem schlechten System noch kein gutes. Das wird schon unfreiwillig deutlich bei einer weiteren Korrektur, die die Grünen fordern: Die Anbieter sollen verpflichtet werden, die Kosten ihrer Produkte „transparent“ darzustellen. Das war bisher nicht immer der Fall. Nun ist zwar Transparenz immer schöner als Unübersichtlichkeit, aber am eigentlichen Problem ändert dies gar nichts: Bei privater Altersvorsorge fallen eben Kosten an, weil Banken und Versicherungskonzerne schließlich Gewinne machen wollen. Schon deswegen war es noch nie eine gute Idee, das staatliche Umlageverfahren teilweise durch private Kapitalanlagen zu ersetzen.

Vor allem aber: Private Kapitalanlagen setzen voraus, dass man Kapital hat. Das ist schlicht, zugegeben. Aber für viele trotzdem bitter. Der Armutsbericht der Bundesregierung weist aus, dass die untersten 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt gar kein Nettovermögen besitzen. Sie waren also noch nie in der Lage zu sparen. Da nutzt es auch nicht viel, dass man eventuell ein bisschen bei den Steuern entlastet wäre, wenn man denn fürs Alter vorsorgen könnte. Man kann das dazu nötige Geld ja nicht selbst drucken.

Die Riester-Rente in all ihren alten und neuen Varianten ist ein Modell für die Mittelschicht. Und so setzt ein bekannter Kreislauf ein: Wer schon Vermögen hat, spart weiteres an. Wieder einmal vom Staat gefördert. Denn auch das ist ja nicht neu. So sind beispielsweise schon seit langem die Erträge von Kapitallebensversicherungen steuerfrei.

Ein Konzept gegen die Altersarmut dagegen fehlt. Und zwar bei allen Parteien. Stattdessen denkt die SPD aktuell in eine andere Richtung nach: So überlegt das Sozialministerium seit neustem, die Sozialhilfe tendenziell einzufrieren.

ULRIKE HERRMANN