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Archiv-Artikel

Jazz und Soundscapes

Improvisationen ohne Platzhirschgebaren: „Underkarl“ zeigen morgen in der Fabrik ihre Mischung aus Kollektivjazz, Elektro-inspirierten Beats, Jazzrock und Pop

Underkarl – der Name ist schlicht Gold wert. Er klingt schön weird und rätselhaft, könnte sowohl dadaistischem Humor entsprungen als auch ein blödes Wortspiel mit Underberg sein. Auch lässt sich solch ein Bandname schwerlich einem Genre zuordnen: Punk, Jazz, Pop? Wer weiß. Vor allem aber bleibt Underkarl einfach hängen.

Underkarl, das sind Sebastian Gramss (Kontrabass), Lömsch Lehmann (Saxophon), Frank Wingold (Gitarre), Nils Wogram (Posaune) und Dirk Peter Kölsch (Schlagzeug). Alle für sich genommen sind feste Größen im weiten Feld von Jazz und Jazzverwandtem. Zusammenarbeit mit Künstlern wie Fred Frith, Peter Brötzmann, Albert Mangelsdorff steht da neben Engagements bei der Mardi Grass Brass Band, Jazzkantine oder dem Jazzorchester Rheinland Pfalz. Nils Wogram ist so etwas wie der Star der Band. Der Posaunist gilt als die Nummer eins der Republik. Tatsächlich gelingen ihm immer wieder feine, wenn nicht gar außerordentliche Arbeiten. Zuletzt begeisterte er beim „Jazz in Hamburg“-Festival mit einem eigens dafür komponierten Werk und tat sich als Mitstreiter bei Aki Takases avantgardistischem „St. Louis Blues“-Projekt hervor.

Bei Underkarl ist Wogram indessen Gleicher unter Gleichen. Der Kollektivgedanke herrscht in der vor zehn Jahren gegründeten Band vor. Folgerichtig und ganz automatisch findet sich der Schwerpunkt des Underkarl‘schen Jazzes nicht in der solistischen Glanznummer. Vielmehr versucht die Band das Improvisieren auf das gemeinsame Zusammenspiel und die Kompositionen selbst auszuweiten. In ihren eigenen Worten: „Improvisation – das wichtigste Merkmal des Jazz – ist in dieser Formation nicht mehr nur den einzelnen Solisten oder so genannten Kollektiven innerhalb bestimmter Stücke vorbehalten. Im Gegenteil: zusätzlich spielt und improvisiert die ganze Gruppe mit den vorher erarbeiteten Formteilen und Fragmenten.“

Überprüfen lässt sich das an ihren drei bisherigen CDs. Vor allem auf dem aktuellen Album Second Brain bereiten sie eine tolle Mischung aus zeitgenössischem Kollektivjazz, Elektro-inspirierten Beats, krachigem Jazzrock und gelegentlichem Pop. Riffs überlagern sich, es erklingen mal melancholische, mal rockende Bläsersätze, Melodien lösen sich in Soli auf, Samples und Soundscapes breiten sich über clubbigen Rhythmen aus. Und weil Underkarl eine Jazzband sind, gilt: Was auf Platte gut ist, ist live noch besser.

Gerd Bauder

morgen, 21 Uhr, Fabrik