Immer noch alles gut

Delegierte einer Zeit, als ein bisschen Wasserstoffperoxyd für extrablonde Haare genügte, um auf der Straße angepöbelt zu werden: „DAF“ sind wieder da und präsentieren am Mittwoch in der Großen Freiheit ihr Album „15 neue DAF Lieder“

Ein Sturm auf die Zeichen der Zeit ist von DAF kaum mehr zu erwarten

von MARC PESCHKE

Hier sind sie wieder, die beiden Männer in schwarzem Leder, an denen sich schon vor mehr als zwanzig Jahren die Geister schieden. Die Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF) war in den späten Siebzigern die böse, andere Seite der Neuen Deutschen Welle – und die Art und Weise, wie die beiden mit Begriffen wie „Mensch“, „Maschine“, „Tanz“ oder „Rhythmus“ um sich schmissen und sie kombinierten, galt in manchen Kreisen gar als postfaschistisch. Doch wie viel schlimmer es noch kommen könnte und würde – mit Electronic Body Music, Schlumpftechno, Joachim Witt und Rammstein – daran war damals nicht zu denken. In der Retrospektive klingen manche alten DAF-Stücke fast wie surrealistische Heimorgel-Capriccios.

Jetzt sind DAF wieder da – und feiern wie anno 1978 im Ratinger Hof, in Düsseldorfs legendärem Punkschuppen, den allerspätestens seit Jürgen Teipels Suhrkamp-Schmöker so ziemlich jeder kennt. Teipels Verschwende Deine Jugend zitierte die DAF-Zeile schlechthin – und um das Duo zu verstehen, lohnt es, einen Blick in Teipels Buch zu werfen: „Wenn man heute an die 70er Jahre denkt, denkt man immer an schicke Stile. Mode. Möbel. Aber geistig war das in Deutschland eine ganz finstre Zeit. Man spürte noch dieses fürchterliche Nachkriegsdeutschland“, erzählt Moritz Reichelt, Düsseldorfer Maler und Musiker der Avantgardeband Der Plan.

DAF probte in den späten Siebzigern den Aufstand gegen dieses Nachkriegsdeutschland – mit drei starken Alben, mit Posen und Tönen, die tatsächlich aufregend und neu waren. „Tanz den Mussolini“, skandierte Gabi Delgado-Lopez im hektischen Sprechgesang, der schon vorher als Tänzer von Mittagspause zu Ruhm gekommen war – und Robert Görl steuerte den monoton-treibenden Maschinenbeat bei. Zum ersten Mal zierte 1982 eine deutsche Band die Titelseite des englischen New Musical Express. Der Rest ist Popgeschichte, DAF trennten sich und Campino wurde mit seinen Die Toten Hosen zum supernetten Nachlassverwalter der deutschen Punk-Szene.

Die Geschichte von DAF ist die Geschichte einer störrischen Anti-Hippie-Jugendbewegung in Deutschland, die bereits Anfang der Achtziger unübersichtlich wurde, ins Seichte abglitt – und zwanzig Jahre danach als Modestil ein Revival erfährt. New Wave-Klone wie die Berliner Band Mia blicken wehmütig zurück in eine Zeit, in der alles möglich war. Niemals war es einfacher zu provozieren, sagt einer von Teipels Gesprächspartnern. Manchmal genügte sogar ein bisschen Wasserstoffperoxyd für extrablonde Haare, um auf der Straße angepöbelt zu werden.

15 neue DAF Lieder heisst das neue Album. Görl hat es auf seinem alten Korg-Synthesizer zusammengebastelt. Es klingt wie früher – und es stimmt, wenn Delgado-Lopez sagt: „Es ist eine klassische DAF-Platte geworden, sie knüpft in meinen Ohren nahtlos an Alles ist gut, unser bisheriges Meisterwerk, an.“ Doch warum soll man sich dieses Konzert überhaupt anschauen? Ein Sturm auf die Zeichen der Zeit ist von der DAF kaum mehr zu erwarten. Doch wenn die Frankfurter Rundschau das neue Album als „Rammstein für die Kirmes“ schmäht, verfehlt der Giftpfeil sein Ziel. Rammstein ist Kirmes; DAF dagegen nostalgisch, minimalistisch und irgendwie schon sexy.

Mi, 9.4., 21 Uhr, Große Freiheit