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Archiv-Artikel

Sozialdemokratische Schutzmacht

Hamburgs SPD beschließt innenpolitischen Kurswechsel: Der wortreiche Spagat zwischen Besonnenheit und Brechmitteln, Prävention und Repression soll die HamburgerInnen davon überzeugen, in zwei Jahren wieder Rot zu wählen

von SVEN-MICHAEL VEIT

Das neue Lieblingswort von Olaf Scholz heißt „strikt“. Für eine „neue Striktheit“ beim Umgang mit Verbrechen in der Hansestadt hatte der Vorsitzende der Hamburger SPD geworben, und seine Partei folgte. Bei nur drei Gegenstimmen verabschiedeten die fast 350 Delegierten des Parteitages im Wilhelmsburger Bürgerhaus am Sonnabend zwei Leitanträge, mit denen die Sozialdemokraten sich als Schutzmacht des Stadtstaates definieren. „Zu lange haben wir Laschheit im Umgang mit Straftätern für Liberalität gehalten. Das war ein Fehler, aus dem wir gelernt haben“, hatte Scholz in seiner fast einstündigen Grundsatzrede erklärt. Und zugleich behauptet, dass die SPD „die wahre liberale Partei in dieser Stadt“ sei und bleibe: Ein Spagat, den die Basis nun üben muss.

Der Kurswechsel in der Innenpolitik beinhaltet vor allem die Akzeptanz repressiver Elemente beim Vorgehen gegen Verdächtige und Strattäter. So wird der Einsatz von Brechmitteln gegen mutmaßliche Dealer, den Scholz als Innensenator im Sommer 2001 eingeführt hatte, nachträglich von der SPD akzeptiert. Mit der Forderung nach „geeigneten Einrichtungen“ zur Verwahrung jugendlicher Straftäter spricht sich die Partei auch für die Wiedereinführung geschlossener Heime aus, welche der ehemalige SPD-Sozialsenator Jan Ehlers Ende der achtziger Jahre abgeschafft hatte. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs warf Ehlers in einer hitzigen Debatte deshalb eine Mitschuld an den Wahlniederlagen der SPD in Hamburg vor.

Große Zustimmung erhielt auch ein zweiter Leitantrag unter dem Motto „Sauberes Hamburg – schönes Hamburg“. Darin wird der Aufbau eines uniformierten Ordnungsdienstes ebenso gefordert wie die Bildung von Reinigungstrupps für alle Stadtteile. „Wir wollen ein breit angelegtes Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm für bis zu 4000 Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger auflegen“, kündigte Scholz an.

Besondere Mühe legte der Parteitag darauf, Unterscheide zu Positionen von CDU und Schill-Partei detailliert herauszuarbeiten. „Besonnenheit“ reklamierte Scholz als sozialdemokratisches Markenzeichen bei der Inneren Sicherheit. Kriminalitätsbekämpfung „fängt nicht bei der Polizei an und hört nicht bei Gefängnissen auf“, behauptete Michael Neumann, Innenpolitiker der Bürgerschaftsfraktion und Mitautor der Leitanträge. Im Gegenteil beginne sie „in der Schule und im Sozialen“. Als Konsequenz solle das Prinzip der „Prävention“ gleichberechtigt neben der Repression stehen, wurde allenthalben betont.

Die Delegierten mögen bitte „Entscheidungen treffen“, hatte Neumann geworben, „die es den Menschen leicht machen, uns wieder zu wählen“. Sie taten wie geheißen, und so durfte Scholz sich über „den Meilenstein“ auf dem Weg zur Bürgerschaftswahl 2005 freuen: Ein in der Tat wegweisender Parteitag.