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Fortsetzung erfolgt

Paris hat auf uns gewartet: Richard Linklaters Wettbewerbsbeitrag „Before Sunset“

Jesse kommt aus Texas, Celine studiert in Paris, und beide sind per Interrail unterwegs. Sie verbringen eine Nacht in Wien, reden über all das, was einen mit Anfang zwanzig so bewegt, schlafen miteinander und trennen sich am nächsten Morgen. In sechs Monaten wollen sie sich in Wien wieder treffen – und dann war Richard Linklaters Film „Before Sunrise“ zu Ende. Als er 1995 in die Kinos kam, trugen alle Mädchen wie Julie Delpy T-Shirts unter ärmellosen Kleidern, und Freundschaften zerbrachen über der Frage, ob Jesse und Celine sich in Wien wiedersehen.

„An dieser Frage entscheidet sich, ob man Romantiker oder Zyniker ist“, erklärt Jesse (wieder: Ethan Hawke) in „Before Sunset“, der Fortsetzung zu „Before Sunrise“. Die Ausgangssituation ist, dass die beiden sich zehn Jahre später in Paris zufällig über den Weg laufen und zunächst einmal besagte Frage klären. Die Antwort ist: Nein. Leider nicht. Aber beinahe! Jesse war da. Nur Celine (immer noch: Julie Delpy) nicht: „Ich musste zur Beerdigung meiner Großmutter.“ Jesse lässt das gelten, und sie machen dort weiter, wo sie aufgehört haben. Bis sein Flieger geht, reden sie über das Jungsein und das Älterwerden, die Liebe und das Weltall.

Wer andere Filme Linklaters gesehen hat, kennt seine Vorliebe für diese Themen. Doch darum geht es nicht. Es geht darum, dass es bewundernswert zynisch ist, den durchaus gelungenen Schluss eines Film mit einer Fortsetzung zu verraten. Und darum, dass etwas mehr von diesem Zynismus aus „Before Sunset“ eine ganz interessante Fortsetzung gemacht hätte. Nach eineinhalb Stunden tiefsinniger Plauderei, vielen postkartentauglichen Altstadtaufnahmen und einer zarten, aber kaum zu übersehenden Handbewegung Julie Delpys muss man jedoch davon ausgehen, dass Linklater sich selbst eher als Romantiker sieht. Schade. KOLJA MENSING

Heute, 9.30 Uhr, Royal Palast; 20 Uhr International; 23.30 Uhr Royal Palast; Sonntag, 19.30 Uhr, Berlinale Palast

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