Sturm im Ringgeviert

Schwere Zeiten für den Bund Deutscher Berufsboxer. Erst flüchtet der Sauerland-Boxstall nach Österreich – und jetzt gründet sich auch noch ein Konkurrenzverband im eigenen Land

VON CLAUDIO CATUOGNO

Manchmal wäre alles leichter, wenn Dr. Bodo Eckmann einfach nur ein angesehener Internist geblieben wäre. Dann könnte er jetzt in Ruhe Magenbeschwerden und Nierenleiden behandeln, und niemand würde ständig seine Integrität in Zweifel ziehen. Dann würde niemand seinen Rücktritt fordern, obwohl er doch gar nicht zurücktreten will, der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). Der Job macht ihm Spaß. Eckmann fliegt durch die Welt und schaut sich Boxkämpfe an, das würde er gerne auch in Zukunft tun. Doch zu Hause bröckelt das Gebilde BDB, die Szene des deutschen Profiboxens ist in Aufruhr wie schon lange nicht mehr. Vorläufiger Höhepunkt: Am heutigen Mittwoch wird in Berlin die German Boxing Association (GBA) gegründet, als Konkurrenzverband zum BDB. Angeschlagen, so scheint es, schleppt sich die BDB-Führung von Runde zu Runde.

Dezember 2003: Eckmann jettet gerade von „Sondierungsgesprächen“ aus Mexiko-Stadt zurück, als ihn die erste schlechte Nachricht erreicht. Wilfried Sauerland, der als Promoter unter anderem Doppelweltmeister Sven Ottke unter Vertrag hat, kehrt dem BDB den Rücken und veranstaltet seine Kämpfe nun mit österreichischer Lizenz. Angeblicher Auslöser: Verbale Entgleisungen des ehemaligen BDB-Vizepräsidenten Hans Högner. Über einen algerischen Boxer hatte der pensionierte Pharma-Vertreter bei einer Veranstaltung in Hamburg schwadroniert, er solle „doch lieber arbeiten gehen oder zurück nach Algerien“. Die Arbeitsweise des Athleten verglich er mit der einer Prostituierten auf der Reeperbahn. Damit stelle er den „gesamten deutschen Boxsport“ in die „rechte Ecke“, schimpfte Sauerland.

Es war nicht Högners erster Ausfall. Ein Wiederaufbau der Mauer wäre ihm auch ganz sympathisch, und das mit den Juden müsse, bitteschön, differenzierter dargestellt werden, was sich am Streit um die Beteiligung der Degussa am Berliner Holocaust-Mahnmal erweise. Wer wisse zum Beispiel, ob nicht „auch Juden Zyklon-B-Gas damals hergestellt haben“. Stets sind diese Ausfälle durch Zeugen verbürgt, zum Teil sogar eidesstattlich. Högner dementiert sie dennoch. Und Eckmann? Spricht von einem „Sturm im Wasserglas“ und schickt Högner weiter im Namen des BDB auf Reisen.

Doch hinter der Affäre Högner versteckt sich der eigentliche Lieblingsgegner der Branche: Klaus-Peter Kohl, Mentor der Klitschko-Brüder und Chef des übermächtigen Universum-Boxstalls. Er dominiert den BDB. Weil die Verbandssatzung Stimmenübertragungen zulässt, sichern sich Kohls Männer auf den Hauptversammlungen jeweils 40 bis über 50 Prozent der Stimmen. Und Högner gilt in der Szene als Handlanger Kohls: Als Mitglied der EBU-Ranglistenkommission sorge er dafür, dass die Universum-Boxer bei den Ranking-Positionen bevorzugt werden. Daran kann zwar auch ein Rückzug nach Österreich nichts ändern – den BDB jedoch trifft dies hart. Bodo Eckmann, so schätzen Insider, hat jetzt jährlich knapp 100.000 Euro weniger in der Kasse.

Und nun auch noch die Gründung der GBA. Hinter dem Konkurrenzverband stecken vor allem kleine Promoter und Boxveranstalter, die ebenfalls die Universum-Hörigkeit des BDB beklagen. „Wir haben die ständigen Benachteiligungen satt“, sagt etwa der Berliner Promoter Mario Pokowietz, Vorsitzender der GBA. „Guten deutschen Boxern ist der Weg nach oben versperrt“, fügt sein Münchner Kollege Roland Suttner hinzu. Ihr Ziel: Das Profiboxen in der Breite wieder zu beleben, unabhängig von Weltmeistertiteln und Fernsehverträgen. 52 Mitgliedsanträge sind schon vor der Gründung eingegangen. Doch öffentlich will bisher noch kein namhafter Veranstalter mit der GBA in Verbindung gebracht werden. Teils um sich nicht zu früh aus der Deckung zu wagen, teils auch aus Zweifel an der Seriosität der Gründungsmitglieder. „Nur wenn die GBA schnell gute Boxkämpfe auf die Beine stellt“, sagt ein Insider, „wird sie für den BDB zur Gefahr.“

Experten befürchten eine neue Unübersichtlichkeit, die dem Stellenwert des deutschen Boxens international schaden könnte. Doch vor allem kleinere Promoter halten einen zweiten Verband für notwendig. Als Druckmittel – um den ersten zu reformieren.