Weitläufige Strukturen

Eine Wucht, die sich aus der Wut auf Weltlage und das soziale Umfeld speist: „Manta Ray“ gelten in Spanien als eine der wichtigsten Indie-Bands des Landes und sind am Mittwoch zu Gast im Molotow

Unvermeidlich war der Stempel Post-Rock – oder Kraut-Rock, schließlich spielt ein Deutscher mit

von FELIX BAYER

Der erste Versuch der Kontaktaufnahme war schnell beendet. „Ich muss auflegen“, sprach Frank Rudow ins Mobiltelefon, „wir sind in Madrid am Flughafen und unser Flug nach Moskau wurde gerade aufgerufen.“ Als wir ein paar Tage später wieder telefonieren, erzählt er, dass seine Band Manta Ray zwischen Soundcheck und Auftritt eine Art Pressekonferenz improvisieren musste – die Russland-Korrespondentin des spanischen Fernsehens wollte ein Statement zur kritischen Haltung von Manta Ray zum Irak-Krieg.

Solche Szenen hätte sich Rudow wohl nicht vorstellen können, als er 1993 mit der Darmstädter Indie-Rockband Incredible Gobs bei einem gemeinsamen Urlaub in Gijon in der richtigen Bar landete. In der spanischen Musikpresse war Anfang der Neunziger oft die Rede von einem „Xixón Sound“ – eine Reihe von Bands aus der nordspanischen Provinz Asturien erfuhr plötzlich auch überregionale Aufmerksamkeit.

Auch Manta Ray wurden unter „Xixón Sound“ eingeordnet, als Frank Rudow zwei Jahre nach dem Bandurlaub endgültig in Gijon blieb. Er stieg bei Manta Ray als Percussionist und Keyboarder ein und war schnell überzeugt, sein Glück gefunden zu haben: „In Deutschland, mit den Gobs, mussten wir uns um alles selbst kümmern. Und nun war ich in dieser Band, die ins Studio ging, ohne alles selbst zahlen zu müssen. Die Platte kam raus, es wurde Werbung gemacht. Ich dachte: Wow, das ist ja echt Klasse hier!“

Bis heute haben Manta Ray acht Alben veröffentlicht, vier davon sind Zusammenarbeiten mit anderen Bands oder Musikern. In Spanien gelten sie als eine der wichtigsten Indie-Bands des Landes. Aufgrund weitläufiger Songstrukturen und häufiger Instrumentaltracks bekamen sie unvermeidlich den Stempel Post-Rock aufgedrückt – wenn ein Deutscher mitspielt, darf man natürlich auch mal Kraut-Rock sagen.

Das neueste Album Estratexa ist ein ziemlicher Brocken, das Zusammenspiel der Musiker ergibt eine Wucht, die sich aus Wut speist. Eine Wut auf die Weltlage, erklärt Rudow, aber auch auf das, was im direkten sozialen Umfeld passiert: „In Asturien gibt es 25% Arbeitslosigkeit, viele Freunde mussten aus der Stadt weggehen, nach Madrid, Barcelona oder gar London, um Arbeit zu finden.“ Asturien ist eine Bergbauregion mit all den typischen Zeichen des verpassten Strukturwandels.

Mit einem gewissen Trotz haben Manta Ray ihr Album asturisch betitelt – Rudow: „Asturisch ist eine eigene Sprache, die aber nicht offiziell anerkannt ist.“ Vom „Xixón Sound“ wollen sie hingegen heute nichts mehr wissen – „das ist höchstens der Klang des Regens“, sagten sie dem spanischen MTV. Dort wurden Manta Ray jetzt erstmals interviewt – den bisherigen Status der Band beschreibt Frank Rudow so: „Wir sind“, er zögert vor dem bösen Wort, „eine Kultband auf die depressive Art. Wir verkaufen nicht so sehr viele Platten, aber tausende von Menschen kommen auf unsere Konzerte.“

Weil das neue Album erstmals auf dem international vertriebenen Label Acuarela erscheint und Manta Ray so auf Europatour gehen können, haben wir die Möglichkeit herauszufinden, was an der Begeisterung des spanischen Publikums dran ist. Eine Pressekonferenz wird es hier aber wohl nicht geben.

mit Aroah: Mittwoch, 21 Uhr, Molotow