DIE AUSBILDUNGSABGABE WAR ÜBERFÄLLIG
: Zukunftsinvestitionen

Nun kommt die Ausbildungsplatzabgabe also doch noch. Von der SPD auf einem Parteitag längst beschlossen, hatte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement die Wirtschaft bislang vehement gegen die Zwangsabgabe verteidigt. Offenbar kann das Publikum nach der Neuordnung an der SPD-Spitze einen ersten Sieg des neuen Parteichefs Franz Münteferings beobachten. Die Regierung trifft mit der Abgabe zwei Fliegen auf einen Schlag: Sie vermittelt einer aufgebrachten Parteibasis und dem linken Flügel in der Bundestagsfraktion, dass jetzt nicht mehr nur die „kleinen Leute“ bluten müssen. Und sie verschafft vielen Jugendlichen, die auf der Straße oder in Ersatzmaßnahmen landen, Lehrstellen, manchen sogar so etwas wie Zukunft.

Nur eine Zahl mag verdeutlichen, wie weit das angeblich so beispielhafte deutsche Modell der dualen Ausbildung in Lehrbetrieb und Berufsschule heruntergewirtschaftet wurde: Im geteilten Deutschland standen rund 700.000 Ausbildungsplätze im Westen zur Verfügung; heute sind es für das ganze Land noch 530.000 Trainingsjobs. Dabei geht es gar nicht nur um die Azubis: Für die Bosse ist Aus-/Bildung wenig mehr als ein Kostenfaktor, den man am besten externalisiert, sprich dem Staat aufbürdet. Wir erinnern uns: Nicht einmal ihren eigenen Anspruch, eine Elite-Uni der Wirtschaft aufzubauen, können die Herren von Allianz, Daimler, BMW, Thyssen-Krupp und so weiter einlösen – sogar für ihr Vorzeigeprojekt Harvard an der Spree bekommen sie nicht genug Geld zusammen.

Die Wirtschaft hatte Jahre Zeit, mit dem Problem selbstständig umzugehen. Doch trotz zahlreicher Versprechungen und Ausbildungsplatzgipfel mit dem Kanzler hat sie das nicht getan. Es ist richtig, wenn Rot-Grün jetzt durchgreift und die Arbeitgeber zu verantwortungsvollerem Handeln zwingt. Und zugleich deutlich macht, dass die Regierung nicht nur dort reformiert, spart und kürzt, wo sie es mit wenig organisierter Gegenwehr zu tun hat: bei Patienten, bei Arbeitslosen, bei Sozialhilfeempfängern. Nur eine Gefahr besteht noch: dass Clement, der Unbelehrbare, diesen überfälligen Politikschritt erneut hintertreibt. IMKE MEIER