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Archiv-Artikel

„Mordfall Jakob“ nicht eingestellt

Gestern entschied das Landgericht Frankfurt: Der Mordprozess gegen Magnus G. findet statt, die unter Gewaltandrohung erpresste Aussage ist kein Verfahrenshindernis

FRANKFURT/M. taz ■ Kurzen Prozess machte die 22. Strafkammer des Landgerichts in Frankfurt am Main schon am ersten Tag des Verfahrens gegen den mutmaßlichen Mörder des elfjährigen Jakob von Metzler: nicht mit dem Angeklagten Magnus G., sondern mit dem Antrag der Verteidigung auf Verfahrenseinstellung. Den wies die Kammer nach knapp einstündiger Beratung zurück. Das Publikum applaudierte. Nach einer Zeugenvernehmung am Nachmittag entschied das Gericht allerdings auch, dass alle bisherigen Geständnisse von Magnus G. nicht verwertet werden könnten: wegen der Gewaltandrohung beim ersten Verhör und weil Magnus G. bei den nachfolgenden Vernehmungen nicht qualifiziert darüber belehrt worden sei, dass seine erste – erzwungene – Aussage deshalb „null und nichtig“ gewesen sei.

Mit dem Verweis auf die ihrem Mandanten bei einer polizeilichen Vernehmung am 1. Oktober 2002 angedrohte Folter hatten die Rechtsanwälte Hans-Ulrich Endres und Stefan Bonn gleich nach dem Verlesen der Anklageschrift die sofortige Einstellung des Verfahrens gefordert. Die „Aussageerpressung“, so Endres, sei nicht nur eine „verbotene Vernehmungsmethode“ nach der Strafprozessordnung, sondern verstoße auch gegen das Grundgesetz und die Anti-Folter-Konvention der UN. Die Gewaltandrohung sei auch deshalb ein „Verfahrenshindernis“, weil sie auch eine „Fernwirkung“ provoziere: Aus Angst vor Folter könnte Magnus G. auch in allen nachfolgenden staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Befragungen bei der erpressten Version seiner Aussage bleiben. Dazu komme, so Rechtsanwalt Endres abschließend, dass Magnus G. auch bei seiner Vernehmung durch eine Amtsrichterin am 31. Januar 2003 „nicht qualifiziert darüber belehrt“ worden sei, dass ein erpresstes Geständnis ohne Wert sei. Und dass er die Entscheidungsfreiheit darüber habe, ob er aussagen wolle – oder nicht.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die Zurückweisung des Einstellungsantrages. Inhaltlich sei es in der erpressten Aussage nur um den Ort gegangen, an dem der mutmaßliche Täter sein zuvor schon getötetes Opfer versteckt hatte. Das umfangreiche Geständnis habe er erst später abgelegt. Dabei – und in allen weiteren Verhören – sei es zu keinen Verstößen gegen die Prozessordnung gekommen. Magnus G. habe die Tat immer wieder gestanden. Ein Verfahrenshindernis sei deshalb „nicht zu erkennen“. Die Staatsanwaltschaft wies auch die „Behauptung“ der Verteidigung zurück, Magnus G. sei bei seiner letzten Vernehmung nicht qualifiziert über seine Rechte aufgeklärt worden. Diese Belehrung habe sehr wohl stattgefunden, sie sei nur nicht protokolliert worden.

Zu Aufklärungszwecken lud das Gericht die Amtsrichterin spontan für den Nachmittag vor. Sie konnte die Version der Staatsanwaltschaft nicht erhärten. Das Gericht zog daraus die Konsequenz und erklärte alle bisherigen Aussagen von Magnus G. für nicht mehr prozessrelevant. Gestanden werden muss jetzt also vor der Kammer. Magnus G. kündigte umgehend an, genau das am Freitag tun zu wollen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT