: Sexismus beim Castor-Einsatz
Nach langem Schweigen: Wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung einer Kollegin ermittelt die Lüneburger Staatsanwaltschaft gegen zwei Polizisten aus Hannover
Gorleben/Hamburg taz/dpa ■ Die Polizistin hat lange mit sich gerungen – nun offenbarte sie sich: Eine Kommissarin der niedersächsischen Landesbereitschaftspolizei aus Hannover soll während des Castor-Einsatzes in Gorleben im vorigen November von zwei Kollegen (31, 24) sexuell attackiert worden sein. Die Lüneburger Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. „Von diesem Vorfall sollen auch Videoaufnahmen bestehen“, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Wigger. „Wir haben ein Verfahren wegen sexueller Nötigung und Freiheitsberaubung eingeleitet.“
Die Einheit der Beamtin war während des Castoreinsatzes auf dem Gelände des Endlagers Gorleben in engen Wohncontainern untergebracht. Im Verlauf der Einsatztage ist sie nach eigenen Schilderungen von einem Zugführer in ihrer Unterkunft aufgesucht und angefallen worden. Bei einem weiteren Vorfall soll er sie in seine Unterkunft gezerrt, sie mit Handschellen ans Bett gefesselt und entkleidet haben. Ein Kollege habe dabei mitgemacht und gefilmt.
Die Polizistin hat erst vor wenigen Tagen schriftlich ihre Vorgesetzten informiert, die dann Strafanzeige stellten. Die beiden Beschuldigten sind daraufhin vom Dienst suspendiert, jedoch noch nicht verhört worden. „Sie mussten ihre Waffen und Dienstausweise abgegeben“, sagt der Sprecher der Landesbereitschaftspolizei, Jörg Beesen. „Bisher hatten wir noch nie mit solchen Vorfällen zu tun.“
Dabei kommt Sexismus innerhalb der Polizei nicht selten vor. Laut Innenministerium sind in Niedersachsen seit 1994 insgesamt 27 Fälle von sexuellen Übergriffen registriert, 20 weitere Vorfälle seien ohne Strafverfahren erledigt worden – Dunkelziffer unbekannt. „Wir beobachten das Problem intensiv“, so ein Sprecher. „Ziel ist es, dass wir die Täter aus den Einheiten herausnehmen, nicht die Opfer.“
Um diesem Ansinnen näher zu kommen, wurde 1994 bei der Hamburger Polizei eigens eine Frauenbeauftragte ernannt. Auch in der Hansestadt war es immer wieder zu sexuellen Nötigungen von Polizistinnen gekommen – vorläufiger Höhepunkt war 1999 die versuchte Vergewaltigung einer Kommissarsanwärterin auf der Abschlussparty eines Lehrgangs.
KAI VON APPEN