: Jüdischer Erfolg im deutschen Fußball
Uwe Seeler war es nicht, der für eine deutsche Nationalmannschaft in einem Spiel die meisten Tore erzielte, auch nicht Gerd Müller. Den Rekord hält nach wie vor der jüdische Fußballer Gottfried Fuchs vom Karlsruher FV, der bei den Olympischen Spielen 1912 zehn Tore zum 16:0 gegen Russland beisteuerte.
Weil Fuchs ab 1933 keinem der „arisierten“ Sportvereine mehr angehören konnte, kommt sein Name in der offiziellen Geschichtsschreibung aber allenfalls am Rande vor. Das gilt auch für seinen Clubkameraden und Glaubensbruder Julius Hirsch, mit dem er 1910 Deutscher Meister geworden war. Hirsch wurde in Auschwitz ermordet. Fuchs konnte emigieren; 1972 starb er in Montreal.
Der Karlsruher FV, Fuchs’ und Hirschs Verein, ist einer von vielen, die auf Initiative des jüdischen Fußballpioniers Walther Bensemann entstanden. Er gilt überdies als der erste deutsche Sportdiplomat: 1898 und 1899, vor Gründung des DFB, organisierte er inoffizielle Länderspiele.
Bensemanns internationale Kontaktpflege brachte einen bohemistischen Lebensstil unter den Kickern mit sich. Ab 1920 verbreitete er seine kosmopolitischen Vorstellungen auch im von ihm gegründeten Magazin Kicker. Seine Texte zählen zum Bedeutendsten, was deutscher Sportjournalismus hervorgebracht hat. Bensemann starb 1934 in der Schweiz.
Als Fußballkosmopolit verstand sich auch der jüdische Ungar Bela Guttmann. In den Zwanzigerjahren brillierte er als Mittelläufer für das Wiener Team Hakoah (hebräisch für „Kraft“) – damals europäische Spitze.
Mit dieser Mannschaft ging er zweimal auf US-Tournee – was den ersten Fußballboom in der Neuen Welt auslösen sollte. Guttmann gehörte auch zu jener Truppe, die fast komplett in die USA wechselte, um dort als New York Hakoah 1929 amerikanischer Pokalsieger zu werden. Als Trainer arbeitete Guttmann unter anderem in Brasilien, Argentinien und Italien, 1961 und 1962 wurde er mit Benfica Lissabon Europacupsieger der Meister. Er starb 1981.
Von 1913 bis 1914, mit einjähriger Unterbrechung zwischen 1919 und 1933 sowie von 1947 bis 1951 war er Präsident des FC Bayern: Kurt Landauer. Er schuf wichtige Fundamente für die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte des Clubs. Zudem steht Landauers Name stellvertretend für die jüdische Tradition des FC Bayern München: Sportler dieser Glaubensgemeinschaft hatten großen Anteil am Aufbau des Clubs.
Während des Dritten Reiches leistete der FC Bayern wenigstens sanften Widerstand gegen die Nazifizierung des Vereins: Gutbürgerlich gesinnt, hielt man gegen den Nazipöbel zusammen und denunzierte deshalb jüdische Mitglieder nicht. Landauer – vier seiner fünf Geschwister fielen dem Holocaust zum Opfer – starb 1961. Wie Ajax hat es der FC Bayern heute nicht gern, wenn man ihn auf seine jüdische Vergangenheit anspricht.
Literatur: Simon Kuper, „Ajax, The Dutch, The War: Football in Europe During the Second World War“, Orion, London 2003, 244 Seiten, zirka 25 Euro. Erhältlich unter anderem über www.sportsbooksdirect.co.uk. Auszugsweise (aber in anderen Versionen) ist sein Buch auch unter www.ajax-usa.com zu finden.
RENÉ MARTENS