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Archiv-Artikel

Elektrolabor

Dayton Allemann bearbeitet auf Kampnagel per Soloperformance Bruno Schulz‘ Erzählung „Der Komet“

Entdeckt hat Dayton Allemann seine tänzerischen Ambitionen zwar schon vor längerer Zeit, nun aber hat er sie zum ersten Mal voll ausgelebt. Flink wie ein Wiesel springt, hastet, tänzelt er in Der Komet, das jetzt auf Kampnagel zu sehen war, zwischen seinem Instrumentarium hin und her, reizt Elektroden, schließt Stromkreisläufe, bis sein Körper elektrisch infiziert zu zucken beginnt – als Antwort auf die Textschleifen, die seine Impulse den Lautsprechern abfordern.

Ein Labyrinth aus Kabeln hat sich der amerikanische Musiker und Komponist zusammengelötet, das ihn gefangen hält und gleichzeitig zu absurd versponnenen Ausflügen auf musikalisch-theatralisches Terrain einlädt. Musik im Theater, das Thema der diesjährigen Experimentierwerkstatt „feuer + flamme“, hat Allemann beim Schopf gepackt, durchgeschüttelt und wieder auf die Füße gestellt. Seine Soloperformance Der Komet, produziert und erarbeitet im Team der Hamburger Magpai Production Group, entführt mit amüsantem Bewegungstheater in einen wahren Lustgarten für Bastler und Techniktüftler und bietet dabei kuriose Einblicke in die Produktion von elektronischer Klangerzeugung. Trinidad Martinez, deren Choreografien Allemann ansonsten bislang ausschließlich musikalisch in Szene setzte, führte Regie, und sie hat das Talent ihres Partners hier phantasievoll ausgereizt.

Die Erzählung Der Komet des 1942 von der Gestapo erschossenen, polnischen Autors Bruno Schulz (bekannt vor allem durch die Erzählung Die Zimtläden), die Allemann in sich wiederholende Samples und Loops zerlegt hat, bildet eine kongeniale dramatische Grundlage für dieses Labor. Nach und nach verwandelt darin ein Familienvater sein Haus in eine Werkstatt für elektromagnetische Experimente und dem willigen Versuchskaninchen Onkel Edward in einen elektrischen Apparat.

Und wenn Allemann dann zwischendurch mal ganz unplugged selbst ein Lied anstimmt, bringt er sich stets in körperlich verquere Lagen. Dann hängt er vom Trapez oder hoch oben im Bühnenhimmel auf der Leiter, schickt Funken sprühende Zeichen, indem er Streichhölzer entzündet. Anfangs löffelt er noch unbekümmert seine Suppe mit verkabeltem Esswerkzeug, dreht hin und wieder ein paar Runden auf dem Fahrrad.

Mit Frack und Melone bekleidet, scheint er zudem aus einer Zeit zu kommen, in der Technik und psychologische Mystik gerade ihre ersten Bande knüpften. Der Neugierige wird zum Besessenen. Zwischen Magier und Verfolgtem changiert die Rolle, die Allemann hier trefflich spielt. Und manchmal weiß man nicht, ob er die so genannten Theremine (mit Antennen ausgestattete Sensoren) dirigiert, oder ob er verzweifelt versucht atmosphärische Störungen in der Luft zu vertreiben. Marga Wolff