Bagdad versinkt im Chaos

Plünderer machen Iraks Hauptstadt unsicher. Selbst Krankenhäuser werden ausgeraubt, erste Ladenbesitzer bewaffnen sich und schießen zurück

BERLIN taz ■ In Bagdad ist das Chaos ausgebrochen. Plünderer, die zum Teil bewaffnet waren, zogen randalierend durch die Stadt und raubten Regierungsgebäude, Läden, Privathäuser und selbst Krankenhäuser aus. Das Handelsministerium stand in Flammen. Noch immer war die Stadt ohne Wasser und Strom.

Viele Menschen verbarrikadierten sich aus Angst in ihren Häusern. Nach Agenturberichten bewaffneten sich Ladenbesitzer mit Gewehren, Pistolen und Eistenstangen, um ihre Geschäfte zu schützen. Erste Plünderer wurden bereits angeschossen. Ein BBC-Reporter beobachtete einen Lynchmord an einem plündernden Kind.

Die US-Truppen ließen die chaotischen Zustände zum Ärger vieler Hauptstadtbewohner gewähren. Mehrere Menschen wurden an Checkpoints von US-Soldaten erschossen, weil sich diese durch mögliche Selbstmordattentäter bedroht fühlten. Im Hotel Palestine, in dem die ausländischen Reporter untergebracht sind, wollte das US-Militär laut BBC eine Kontaktstelle für die Bevölkerung einrichten.

Im östlichen Al-Kindi-Hospital wurden laut AFP mindestens 25 Menschen mit Schusswunden behandelt. Dort arbeiteten nur noch zwei Ärzte, nachdem das Hospital am Vortag geplündert worden war. Viele Ärzte und Patienten seien geflohen. Operationen könnten nicht durchgeführt werden. Im Stadtteil Mansur raubten Bewaffnete ein Kinderkrankenhaus aus. Im Stadtzentrum wurde das mit modernsten Geräten ausgestattete Olympische Krankenhaus verwüstet. Plünderer ließen Betten, Tische mitgehen und zerstörten oder stahlen Operationsgeräte.

Hilfsorganisationen forderten die US-Truppen auf, das Chaos zu stoppen. „Laut Genfer Konvention ist es Sache der Besatzungsstreitkräfte, Recht und Ordnung durchzusetzen“, sagte eine Sprecherin des Internationalen Roten Kreuzes in Genf.

Vereinzelt lieferten sich bewaffnete Kräfte des untergehenden Regimes noch Schusswechsel mit den US-Truppen. Im Norden der Stadt gab es einen vierstündigen Kampf bei der Imam-al-Adham-Moschee. Dabei soll laut BBC ein US-Soldat getötet worden sein. Bis zu 20 wurden verletzt. Fünf US-Soldaten waren am Vorabend bei einem Selbstmordattentat verletzt worden. Zwei weitere US-Soldaten und mehrere Iraker sollten laut al-Dschasira gestern bei dem Versuch getötet worden sein, eine Rakete zu entschärfen.

SVEN HANSEN