Neues Niveau

Hochspringerin Daniela Rath überquert bereits zum dritten Mal in dieser Saison die Zwei-Meter-Marke

LEIPZIG taz ■ Die Dinge waren keineswegs so geregelt, dass man sie als wirklich reibungslos hätte bezeichnen können. Zunächst fand Daniela Rath ihre Anlaufmarkierung nicht wieder, später wäre sie beim Anlaufen beinahe mit einem sich erwärmenden Sprinter aus Holland kollidiert, und überhaupt folgten die einzelnen Versuche in viel zu rascher Folge. Hochspringer mögen solche Dinge nicht, sie stören nur ihre Konzentration, und vielleicht hätte sich auch Daniela Rath bis vor kurzem noch von ihnen aus dem Konzept bringen lassen. Jetzt tut sie es nicht mehr, sondern springt trotzdem unverdrossen weiter, als wäre nichts geschehen, hebt dann jubelnd ihre Arme und sagt schließlich: „Ich habe gezeigt, dass ich auch in Stresssituationen eine stabile Leistung bringen kann.“

Das stimmt, einerseits. Andererseits stimmt es auch wieder nicht, weil die Bezeichnung „stabile Leistung“ doch ein wenig untertrieben ist für einen Satz über zwei Meter. Zwei Meter, das ist für hoch springende Frauen nach wie vor der Eintritt in die Weltspitze. Zwei Meter ist das, was Daniela Rath am Samstag beim Leichtathletik-Europa-Cup in Leipzig und einen Tag später beim Sportfest in Karlsruhe gesprungen ist, zum zweiten und dritten Mal nun schon in dieser noch gar nicht so langen Hallensaison. Die 26-Jährige aus Leverkusen sagt: „Besser als im Moment kann’s gar nicht laufen.“

Gut gelaufen ist es freilich schon in der letzten Saison, zumindest bis zu deren Hälfte. Am 22. Juni, diesen Tag wird Daniela Rath wohl nie vergessen, überquerte sie zum ersten Mal die magische Marke, und es war ein „unglaubliches Gefühl“ für sie, so jedenfalls hat sie es gesagt. Es war aber auch ein bisschen zu viel für die große, blonde Frau, die schon mit 19 Jahren 1,94 m übersprang, danach aber verletzungsbedingt in der Versenkung verschwand, so tief, dass bei ihrem Auftauchen im Jahr 2002 sich nur noch Insider an sie erinnern konnten. Dass sie schon in der folgenden Saison die Schallmauer durchbrechen und damit zu einem der wenigen Lichtblicke in der deutschen Leichtathletik werden würde, konnte damals jedenfalls niemand ahnen.

„Das ging ja auch alles ein bisschen schnell. Viel schneller jedenfalls als geplant“, sagt Daniela Rath im Rückblick. Sie sagt auch, dass es ihr damals ziemlich bald ziemlich klar war, dass ihrem ersten Zwei-Meter-Satz nicht mehr viel nachkommen würde, nicht in der Saison. „Der ganze Trubel, der ganze Medienrummel – das muss man erst einmal verarbeiten“, schon gar, wenn er einen unerwartet trifft. Hinzu kam die psychische Leere, die immer eintritt, wenn man ein großes Ziel endlich erreicht hat. „Die Luft war einfach raus“, sagt Daniela Rath – und man konnte das sehen: Bei den deutschen Meisterschaften in Ulm eine Woche nach ihrer Zwei-Meter-Premiere stürtzte sie auf 1,87 m ab, bei der WM in Paris im August scheiterte sie an der Qualifikationshöhe von 1,88 m. Danach beendete sie die Saison mit einem Gefühl der Enttäuschung, obwohl es doch gar nichts Enttäuschendes gab.

„Das ist abgehakt“, sagt Daniela Rath, und vielleicht war es ja ganz gut so, wie es war: Dass sie wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist. Auf jeden Fall hat sie im Winter hart gearbeitet – an ihrer Technik und an sich selbst. Ersteres hat sie mit Hilfe ihres Trainers Hans-Jörg Thomaskamp verändert: Rath läuft nun kürzer an, was ihren Anlauf stabilisiert hat. Bei Letzterem hilft ihr seit November ein Sportpsychologe. „Vor allem meine Emotionen habe ich jetzt besser im Griff“, sagt Daniela Rath, außerdem habe sie gerade in Fehlersuche bisher viel zu viel Energie gesteckt. „Jetzt“, sagt die 26-Jährige, „vertraue ich mehr auf meine eigenen Fähigkeiten.“

Dass diese weiter gewachsen sind, hat sie in diesem Jahr schon drei Mal nachgewiesen und dabei erkannt: „Wenn die Bedingungen halbwegs stimmen, weiß ich jetzt, dass zwei Meter immer drin sind.“ Das ist, obwohl sich an der Bestleistung (noch) nichts geändert hat, ein anderes, ungleich höheres Niveau. Im letzten Jahr, so könnte man das vielleicht beschreiben, war Daniela Rath kurz zu Besuch in der Weltspitze, in diesem beginnt sie dauerhaft in ihr zu wohnen. Das weckt natürlich Hoffnungen für den Rest der Saison und das große Fest im Sommer in Athen. Daniela Rath weiß mittlerweile, wie sie mit solchen Dingen umzugehen hat. Die Hochspringerin sagt: „Man muss auf dem Boden bleiben.“

FRANK KETTERER