: Sex, Drückebergerei und Internet-Videos
Wahlkampf ums Weiße Haus geht schon kräftig unter die Gürtellinie. Bushs potenzieller Rivale Kerry siegt weiter
WASHINGTON taz ■ Die Schlammschlacht im Kampf um das Weiße Haus ist bereits in vollem Gange. Die Demokraten werfen Präsident George W. Bush weiter vor, sich vor dem Militärdienst und dem Vietnameinsatz gedrückt zu haben. Ein konservatives Online-Magazin verbreitet das Gerücht, Bushs wahrscheinlicher Gegenspieler John Kerry habe ein Sexaffäre. Beide Seiten dementieren heftig und gehen zum Gegenangriff über.
So ließ Bush am Wochenende seine Militärakten aus der Zeit des Vietnamkriegs veröffentlichen. Die mehrere hundert Seiten umfassenden Dokumente sind nach Angaben des Präsidialamts der komplette Aktenbestand aus Bushs Zeit in Uniform. Dieser hatte sich lange geweigert, Einsicht in diese Unterlagen zu gewähren. Die Demokraten reagierten jedoch skeptisch. Bislang hätten alle Veröffentlichungen mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, erklärte die Sprecherin des Nationalkomitees der Demokraten.
Die nun veröffentlichten Akten brachten keine neuen Erkenntnisse über den umstrittenen Zeitraum von 1972 bis 1973, als Bush zeitweise bei einer Einheit im US-Staat Alabama stationiert war. Vergangene Woche hatte das Weiße Haus Gehaltslisten und Rentenbescheide als Beweismittel vorgelegt. Alle bisher freigegebenen Unterlagen konnten die Vorwürfe der Drückebergerei nicht entkräften, zumal sich niemand findet, der Bushs Anwesenheit bezeugen kann.
Bushs Militärdienst war schon im Wahlkampf 2000 Thema. Diesmal ist der Druck größter, da sich Bush als „Kriegspräsident“ bezeichnet und sein Rivale Kerry ein ausgezeichneter Vietnamveteran ist. Die alten Vorwürfe haben zudem angesichts Bushs erodierter Glaubwürdigkeit im Hinblick auf den Irakkrieg neue Nahrung bekommen.
Mehr als gelegen kommen den Republikanern daher die Sexgerüchte über John Kerry. Der „Drugde Report“, eine Internetseite des Boulevardkolumnisten Matt Drudge, berichtete, Kerry habe eine Affäre mit einer Praktikantin. Die Vorwürfe sind mehr als vage. Selbst Zeitungen, die in dem Bericht zitiert werden und angeblich an dieser Geschichte recherchierten, dementierten. Kerry wies die Anschluldigungen zurück. Ein anderes Zeichen, wie sehr sich die Republikaner auf Kerry einschießen, war die Veröffentlichung eines Internetvideos, dass ihn als Lobbyistenfreund porträtiert. Umgehend verbreiteten Kerrys Wahlkämpfer ein Webvideo, dass Bush als Handlanger von Umweltverschmutzern, Pharmafirmen und Großbanken darstellt.
Unbeeindruckt von den Scharmützeln setzte Kerry am Samstag seine Siegesserie bei den Vorwahlen fort. Mit deutlichem Abstand gewann er in Nevada und in der Hauptstadt Washington. Bushs Umfragewerte sanken auf einen neuen Tiefstand. Der frühe Beginn persönlicher Angriffe im Wahljahr deutet auf Auseinandersetzungen hin, die vor der Gürtellinie nicht Halt machen, auch wenn beide Seiten geloben, auf solche Kampagnen verzichten zu wollen.
MICHAEL STRECK