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Archiv-Artikel

Krieg im Konjunktiv

Viele Medien hadern im Krieg mit der eigenen Rolle. Die englische Zeitung „The Guardian“ veröffentlicht eine aufschlussreiche Liste der Widersprüche

von MAREKE ADEN

Mit dem Krieg ist der Konjunktiv ausgebrochen. Agenturen und Zeitungen beweisen ihre kritische Haltung durch „sei“ und „habe“. Immer machen sie darauf aufmerkam, woher sie ihre Informationen beziehen. Stets nennen sie ihre Quellen: Tommy Franks, der Oberkommandierende der Koalitionsstreitkräfte, verkündet den Fall von Basra. Und al-Dschasira berichtet, dass von einer vollständigen Kontrolle der Stadt durch die Briten keine Rede sein könne.

Das ist schön, denn auf diese Art kann sich jeder Leser sein eigenes Bild machen. Und was sollen die Medien auch machen, wenn fast nur Informationen aus recht parteilichen Quellen zu haben sind? Vermelden eben – und als parteilich kennzeichnen. Ihr Vorgehen wird selbst zum Thema: Fast alle Medien haben auf ihren Zwiespalt und ihr redliches Bemühen hingewiesen. Wahlweise zitieren die selbstkritischen Analysten den Churchill-Spruch von der Wahrheit im Krieg und deren Leibwache aus Lügen oder den von der Wahrheit, die im Krieg angeblich zuerst stirbt.

Aber wie immer gilt: Was erst mal gemeldet ist, das ist auch ein bisschen wahr. Zumal, wenn das Bemühen um Skepsis nicht über Konjunktiv und Quellenangabe hinausgeht. Wenn britische Militärs einerseits behaupten, „Chemical Ali“ in Basra tot gefunden zu haben, und andererseits die Identität der gefundenen Leiche stehe nicht fest, geht die Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) zu Recht in Habachtstellung: Sie spricht vom „offenbar bei einem Luftangriff der US-Streitkräfte getöteten“ Chemie-Ali. Aber in ihrer Vorsicht bleibt die Agentur nicht konsequent. Schon im ersten Satz der Nachricht „galt“ Chemie-Ali als einer der treuesten Weggefährten Saddam Husseins – in der Vergangenheitsform, die einem Toten gebührt.

Leser als Informanten

In Großbritannien behandeln Journalisten die Gemengelage aus militärischer Selbstdarstellung, Zensur und „Einbettung“ offensiver als in Deutschland. Die englische Tageszeitung The Guardian hat eine Kontrollinstanz über die Berichterstattung eingerichtet (media.guardian.co.uk – „War Watch“). Alle Widersprüchlichkeiten listet sie auf ihrer Website auf, nach Themen sortiert. Vierzehn eng bedruckte Seiten kommen so zusammen. Sie zu sammeln bedurfte nicht mehr als des Vergleichs der Aussagen von „eingebetteten“ Korrespondenten mit denen der Armeesprecher.

Die Liste ergibt längst kein vollständiges Bild. Aber ein etwas differenzierteres als jenes, das sich die Öffentlichkeit im Golfkrieg 1991 aus vorgefertigten Militär- und den zensierten CNN-Filmen machen konnte. Denn die Auflistung zeigt: Die „Eingebetteten“ berichten auch Unliebsames. William Branigin von der Washington Post zitiert einen US-amerikanischen Truppenführer mit den Worten: „Ihr habt eine Familie getötet, nur weil ihr den Warnschuss nicht rechtzeitig abgefeuert habt.“ Das Pentagon bezeichnete das so gescholtene Verhalten der Soldaten, das Frauen und Kinder tötete, am nächsten Tag als „angemessene“ Verteidigungsmaßnahme.

Außerdem stellten Heimatredaktionen die erwünschten Bilder der „Eingebetteten“ in weniger erwünschte Zusammenhänge. Sie zeigten zum Beispiel aus dem Panzer gefilmte Aufnahmen von freudig grüßenden Irakern und gaben dazu süffisant den Hinweis eines Militärsprechers wieder: Niemand habe Jubelnde zum Jubeln gezwungen.

Das passt nicht allen in den Kram: Militärs haben die Strategie der „Einbettung“ bereits bedauert. Air Marshal Brian Burridge bezichtigte die Journalisten des „Gaffens“ und der Herstellung von „Reality-TV“. Bronwen Maddox, Auslands-Chefin der Londoner Times, kontert: „Das Militär erwartet von den Berichten moralische Unterstützung, präsentiert als unabhängige Analyse. Aber das ist nicht unser Job.“