THEODOR-HEUSS-PREIS FÜR „MISTER PISA“ IST EIN WICHTIGES SIGNAL
: Die Stunde der Reformpädagogen

Sie sind gegen „eine Kapitalisierung von Bildung“. Sie finden es falsch, auf die Pisa-Studie mit zentralen und schärferen Prüfungen der Schüler zu reagieren. Und sie halten wenig davon, Unterrichtsinhalte zu standardisieren, sprich: zu uniformieren. Wow! Seitdem die Pisa-Studie die Nation in eine tiefe Krise über den Sinn des Lernens stürzte, hat man so klare und richtige Sätze nicht gelesen. Die deutschen Reform- und Alternativschulen haben sich in einem wuchtigen Aufruf zu Wort gemeldet.

In die Freude über den Aufruf zu einer „pädagogischen und didaktischen Erneuerung“ mischt sich allerdings ein Tropfen Bitterkeit: Es war höchste Zeit, dass endlich jene die Stimme erheben, die ein Pisa-taugliches Lernen längst praktizieren. Man muss sich das vorstellen: Ein trauriger Lobbyist wie Josef Kraus, Vorsitzender des Deutschen Lehrer(dach)verbandes, der streng genommen fünf Mitglieder vertritt, konnte die Öffentlichkeit lange mit dem falschen „Weiter so!“ der Rohrstockschule füttern: mit schärferen Zensuren, früherer Auslese und einem Lob der Sekundärtugenden. Die Reformpädagogen aber, die es in ihren Schulen besser machen, ballten die Faust in der Tasche – und schwiegen. Die Theodor-Heuss-Stiftung hat gut daran getan, den Aufruf huckepack zu nehmen, als sie dem Pisa-Chef der OECD, Andreas Schleicher, ihren angesehenen Preis verlieh.

Zudem wurde bei der Verleihung deutlich, wie groß die Koalition der Reformwilligen bereits ist. Es sind nicht nur Hartmut von Hentig und eine Hand voll engagierter Lehrer und Eltern, die 45-Minuten-Takt und Pflichtlehrplan satt haben. Dazu gehören inzwischen auch Teile der GEW, die aufgeklärte Wirtschaft, renommierte Unternehmensberatungen, bürgerrechtsorientierte Demokraten quer durch die Parteien, nicht zu vergessen die Bundesbildungsministerin – und, nun auch hörbar, die Reformschulen. Sie alle meinen, dass frühe Auslese wenig bringt, dass die Schüler offeneren und besseren Unterricht verdient haben und dass die Häuser des Lernens endlich von der „gigantischen Bildungsbürokratie“ (Schleicher) befreit werden müssen. CHRISTIAN FÜLLER