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Archiv-Artikel

AUCH EIN PARTEITAG KANN DIE FRAGEN DER SPD-BASIS NICHT BEANTWORTEN Hilferuf statt Rebellion

Steht die SPD-Basis gegen Schröder auf? Wer will, kann die deutsche Innenpolitik momentan als großes Drama sehen: Nicht nur bei den Grünen, auch bei der SPD wurde ein Sonderparteitag erzwungen, den die Führungsgremien nie wollten. Das ist bemerkenswert – aber nicht revolutionär. Denn nach den Sonderparteitagen, diese Prognose sei gewagt, wird Schröder immer noch Kanzler sein. Und es wird immer noch Sozialreformen namens „Agenda 2010“ geben, die „Punkt für Punkt“ umgesetzt werden. Auch wenn sich manche Punkte leicht gewandelt haben dürften, weil Kompromisse und Übergangslösungen erzwungen wurden.

Innenpolitisch wird sich also nicht viel verändern – aber parteipolitisch wird manches deutlicher. Die anvisierten Sonderparteitage zeigen, wie sehr sich Grüne und Sozialdemokraten unterscheiden. Bei den Grünen geht es stabil zu. Eine Minderheit empfindet die geplanten Sozialreformen als ungerecht – was die deutliche Mehrheit nicht besonders erschüttert. Zwar kann man sich einige „Nachjustierungen“ vorstellen, aber eigentlich fühlt man sich wohl als „Reformmotor“ der Nation. Die meisten Grünen glauben daran, dass eine reduzierte Arbeitslosenhilfe gerecht ist, wenn man gleichzeitig ein bisschen mehr Zuverdienst erlaubt. Die empörte Minderheit kann sich überlegen, ob sie bleibt oder austritt – beides würde die grüne Partei nicht erschüttern.

Viel diffuser geht es bei den Sozialdemokraten zu. Dort gibt es zwar auch eine Mehrheit – aber es ist eine Mehrheit der Ratlosen, der Heimatlosen, die nicht mehr wissen, was sie denken sollen. Ihnen ist deutlich, dass der alte Sozialstaat reformiert werden muss. Aber sie können nicht erkennen, was an Schröders Plänen sozialdemokratisch sein soll. Wo zeigt sich der Unterschied zur Union? Das fragen sie sich selbst, das fragen Bekannte und Bürger an den Straßenständen.

Der Sonderparteitag der Sozialdemokraten ist keine Rebellion, sondern ein Hilferuf: Die Basis will von Schröder endlich erklärt bekommen, warum seine Reformen gerechter sind, als sie aussehen. Vielleicht gelingt es dem Kanzler sogar, mit einer Rede zu beruhigen. Aber die Fragen werden wiederkommen. ULRIKE HERRMANN