Israel: Zögerliche Zugeständnisse

US-Außenminister Powell kündigt eine Reise nach Israel, Palästina und Syrien an. Scharon will Ministerpräsident Abu Masen nach Amtsantritt persönlich treffen

Jeder erwartet von der anderen Seite den ersten Schritt zur Versöhnung

JERUSALEM taz ■ US-Außenminister Colin Powell hat einen Besuch im Nahen Osten angekündigt, sobald das geplante Reformkabinett des designierten palästinensischen Ministerpräsidenten Machmud Abbas (Abu Masen) vereidigt ist. Die Visite soll nicht nur das in tiefe Ungnade Washingtons gefallene Damaskus einschließen, sondern in Ramallah der neuen Palästinenserregierung Abu Masens den Rücken stärken und in Jerusalem die Veröffentlichung des Friedensfahrplans für Nahost vorbereiten.

Die israelische Regierung hat den USA eine Liste von Maßnahmen vorgelegt, die die Notlage der palästinensichen Bevölkerung mildern und Abu Masen den Start erleichtern sollen. Dies entspricht der den Israelis nahe gelegten amerikanischen Überzeugung, vertrauensbildende Schritte müssten nicht nur von beiden Seiten gleichzeitig unternommen werden, sondern die Israelis sollten auch die ersten praktischen Schritte tun.

Das steht im Gegensatz zu Ministerpräsident Ariel Scharons Ansicht, israelische Gesten könnten erst nach der Auflösung palästinensischer Widerstandsgruppen, dem Einsammeln und Vernichten aller illegalen Waffen und der Einstellung von Aufwiegelung erfolgen. In einem Jedioth-Acharonoth-Interview zum Pessachfest hatte Scharon noch betont: „Ich gebe niemandem Gratisgeschenke.“

Zu den Maßnahmen, die Israel nach Vereidigung einer Abu-Masen-Regierung zumindest auf dem Papier zugesagt hat, gehört ein stufenweiser Rückzug israelischer Streitkräfte aus Palästinenserstädten, die Freilassung palästinensischer Häftlinge, Milderung der Reisebeschränkungen, erhöhte Vergabe von Arbeitsgenehmigungen und Erleichterungen im Güterverkehr. Außerdem geht es um den Transfer von rund einer Milliarde Schekel (200.000 Millionen Euro) Schulden an die Palästinenserbehörde, die von Israel kurz nach Beginn der zweiten Intifada vor zweieinhalb Jahren eingefroren worden waren. Überdies äußerte Scharon die Absicht, Abu Masen gleich nach seinem Amtsantritt persönlich zu treffen.

Dass Israel solche Versprechen auf dringende Veranlassung der USA gab, ging aus der Aussage eines Regierungssprechers in Washington hervor, den die New York Times am Freitag zitierte: „Wir haben den Israelis die Schritte genannt, die zu einer Ankurbelung des Prozesses nötig sind.“ Die wohl publizierte amerikanische Forderung, zusammen mit der Besuchsankündigung Powells, reflektiert die Einsicht, dass dem Kriegsende im Irak Fortschritte im israelisch-palästinensischen Verhandlungsprozess schnellstens folgen müssen. Die USA stehen unter wachsendem Druck ihrer europäischen Verbündeten und arabischer Staaten, mehr Teilnahme an der tiefen Not der Palästinenser zu demonstrieren.

Scharon hatte mit jüngsten Äußerungen zum Friedensprozess für heftige Verwirrungen gesorgt. In einem Interview in Ha’aretz hatte er sich zu „schmerzhaften Kompromissen“ bereit erklärt. Vor einem Likud-Forum hatte er nach dem Fall des Saddam-Regimes von einer „historischen Gelegenheit zur Lösung des Konflikts“ gesprochen.

Gleichzeitig stellte Scharon neue Bedingungen, die den Friedensprozess schnell in eine Sackgasse führen könnten. Dazu gehört nicht nur eine Liste von Einwänden gegen den Nahostfahrplan, sondern er verlangte den Palästinensern vor Beginn der Verhandlungen den Verzicht auf das Rückkehrrecht von 4 Millionen Flüchtlingen ab.

Dies dürfte Abu Masen vor immense Schwierigkeiten stellen. Er ist zwar für eine verständnisvolle Haltung in Sachen Terrorbekämpfung und israelische Sicherheit bekannt, gilt indes als kompromisslos in der Frage palästinensischer Flüchtlinge und ihres Rechts auf Rückkehr.

ANNE PONGER