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Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen

„Herzkreis“-Opfer geht vor dem Kölner Amtsgericht leer aus. Der Richter wirft der Klägerin Leichtfertigkeit vor. Durch ihre Teilnahme habe auch sie sich sittenwidrig verhalten. Das sieht die Klägerin anders. In zweiter Instanz muss sich nun das Kölner Landgericht mit dem Pyramidenspiel befassen

KÖLN taz ■ Das Kölner Amtsgericht hat im ersten Prozess um das „Herzkreis“-Spiel die Klage einer Geschädigten auf Rückzahlung von 5.000 Euro zurückgewiesen. Klägerin Petra S. hatte ebenso wie sieben weitere Frauen die Beklagte Sabine B. vor gut zwei Jahren in einer feierlichen Herzkreis-Zeremonie beschenkt. Danach war der Kreis am Ende. Man traf sich zwar noch monatelang, aber es gelang nicht mehr, weitere Mitspielerinnen zu finden. Mehrmals bat Petra S. um Rückgabe des Geldes. Vergeblich. Schließlich ging sie mit einer Zivilklage vor Gericht. Und scheiterte. Einen Vergleich hatten beide Seiten abgelehnt.

Der Richter wirft in seiner Urteilsbegründung der enttäuschten „Herzfrau“ Leichtfertigkeit vor. Selbst wenn ihr der sittenwidrige Charakter des Herzkreises bei ihrer ersten Teilnahme nicht klar geworden sei, hätte sie doch vor ihrer Schenkung noch zwei Wochen Zeit gehabt, sich anderweitig zu informieren. Sie habe damit, wenn auch aus Leichtfertigkeit, ebenfalls sittenwidrig gehandelt und könne nicht darauf rechnen, dass die Justiz für sie das Geld wieder eintreibt. Das letzte juristische Wort in Sachen Herzkreise ist damit jedoch nicht gesprochen. Das Verfahren geht nun in die zweite Instanz vor das Landgericht. „Das Argument mit der Leichtfertigkeit zieht nicht“, kritisiert der Anwalt der Klägerin, Erik Millgramm, das Urteil.

Schon bei Prozesseröffnung im Januar zeigte sich, wie schwer die eigenartige Faszination der Herzkreise und Schenkbörsen juristisch zu fassen ist. „Wer keine fünf in Mathematik hatte, muss doch sofort sehen, dass das nicht funktionieren kann“, wunderte sich Richter Roderich Dietz über die Leichtgläubigkeit der Klägerin (s. Kasten). Doch gerade die Herzkreise, in denen nur Frauen zocken, werden nicht als Spiele beworben. Petra S. zum Beispiel fühlt sich im Nachhinein geradezu eingelullt. Sie war nicht zu einem Geldspiel eingeladen worden, sondern zu einer Frauengruppe. „Es hieß, man lernt tolle Frauen kennen, tauscht sich aus, kriegt super Kontakte und nebenbei kann man auch noch Geld verdienen“, erinnert sie sich.

Tatsächlich hat sich mit Verbreitung der Herzkreise so etwas wie eine Herzkreis-Kultur entwickelt. Die wöchentlichen Treffen der Kreise werden mit Kerzenschein, innigen Freundschaftsbekundungen und gemeinsamem Essen inszeniert. Es ist die Rede von Frauen-Solidarität und einem neuen, weiblichen Umgang mit Geld. Infoblätter, die in der Szene kursieren, liefern die esoterische Unterfütterung des Ganzen. Da ist von „kybernetischen Kreisläufen“ die Rede, vom „kostbaren Schritt des Schenkens“ und von der „ungeheuren Energie des Empfangs“. Geschickt wird so die Geldgier der Teilnehmerinnen herausgekitzelt und gleichzeitig mit Begriffen wie Solidarität bemäntelt. Für viele „Herzfrauen“ gibt es schnell kein Halten mehr: Sie werben neue Mitspieler im engsten Freundes- und Verwandtenkreis.

Mit dem Kölner Verfahren hat eine ganze Serie von Zivil-Prozessen rund um Herzkreise und Schenkbörsen begonnen. Aufgearbeitet wird nun die Welle von Pyramidenspielen, die in den vergangenen eineinhalb Jahren vor allem das Rheinland überrollt hat, und die nach Schätzungen allein in Köln an die 30.000 Teilnehmer erfasst haben soll. Rechtsanwalt Erik Millgramm, der nach eigenen Angaben rund 300 Geschädigte vertritt, will mit dieser Prozess-Serie vor mehreren Gerichten erstmals eine einheitliche Zivil-Rechtsprechung über die vom Bundesgerichtshof als sittenwidrig klassifizierten Spiele erreichen. Strafbar sind Pyramidenspiele in Deutschland nicht – im Gegensatz etwa zu Österreich oder den USA. Eva-Maria Thoms

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