piwik no script img

Archiv-Artikel

Überlebenskunst

Warum selbst das Kino kann Shakespeare nicht kaputt kriegen kann

Mit „Shakespeare on Screen“ hat Daniel Rosenthal im Jahr 2000 eine Lücke der Film-Literatur geschlossen. Zu Beginn der Shakespeare-Reihe im Kino 46 hätte der Brite heute referieren sollen. Doch krankheitsbedingt musste er absagen. Zum Trost präsentiert ihn die taz im Interview

taz: Viele sagen, heute wäre Shakespeare Drehbuchautor. Glauben Sie das auch?

Daniel Rosenthal: Nein – ich denke, er würde das Kino lieben, aber für die Bühne schreiben. Ein so genialer Dichter fände im Film nicht die nötige Freiheit für seine Worte. Und die größte Strahlkraft in seinem Werk hat die Sprache. Aber vielleicht wäre ihm ja gelungen, was alle Regisseure versuchen, die ihn adaptieren: Seine Poesie mit den Möglichkeiten des Filmemachens zu verbinden.

Aber opfern nicht die Verfilmungen die Sprache zuerst?

Das passiert oft! Zeffirelli beispielsweise hat zwei Drittel von Hamlets großem Monolog einfach herausgekürzt. Wir verlieren da sehr viel, aber das Wichtigste ist doch, dass wir die Welt, in der das Stück spielt, wirklich sehen können.

Es gibt auch Verfilmungen, die den Kern der Stücke fast ohne Original-Text treffen, wie Kurosawas „Schloss im Spinnwebwald“. Wie kommt das?

Hier sprechen wir von der visuellen Poesie – von der Fähigkeit, mit der Kamera so beredt zu sein wie Shakespeare mit Worten. Heute ist dem Publikum diese Filmsprache mit Schnitten, Perspektiven, Bildverdichtungen viel geläufiger als das alte Versmaß. Aber die Geschichten bleiben aktuell, weil wir Menschen uns nicht verändert haben.

Aber der Witz liegt doch darin, dass die Filmer sie in Western oder Sciencefictionfilme verwandeln …

Die Stücke sind so monumental, die überleben fast alles. Deshalb kann man sie auch mit den Konventionen anderer Genres verbinden. Ich glaube sogar, die besten Adaptionen sind jene, bei denen sich die Filmemacher trauen, viel zu verändern. In dem Science-Fiction-Abenteuer „Forbidden Planet“ etwa hielt man sich nur anfangs an die Vorgaben von „Der Sturm“. Dann ging der Film seinen eigenen Weg – und das war gut. Schief geht es, wenn Regisseure glauben, alles kopieren zu müssen.

Warum wird Shakespeare so gerne fürs Kino adaptiert? In „Shakespeare On Screen“ nennen sie Prestige als Grund – aber trifft es das wirklich?

In der Frühzeit des Kinos war das der Hauptgrund. Da verlieh Shakespeare der neuen Kunstform Geltung. Aber in den letzten 60 Jahren liegt es wohl eher daran, dass diese Stoffe so großartige Möglichkeiten bieten.

Ein besonderer Aspekt von Shakespeare-Verfilmungen liegt ja darin, dass sie die Arbeiten von Regisseuren und Schauspielern vergleichbar machen.

Das liebe ich auch besonders an den Verfilmungen: bei den Shakespeare-Rollen kann man Zeile für Zeile die Stärken und Schwächen der jeweiligen Interpretation heraus arbeiten. Und genau untersuchen, wie sich der Schauspielstil ändert: Ein Theaterwissenschaftler hat mir erzählt, dass seine Studenten in schallendes Gelächter ausbrechen, wenn sie Laurence Oliver als „Othello“ agieren sehen. Doch in seiner Zeit war er unumstritten der beste.

Fragen: Wilfried Hippen

Das Kino46 zeigt diese Woche zehn Shakespeare-Adaptionen. Alle Termin-Infos finden sich zuverlässig in der Bremer Kino-taz sowie im Internet unter www.kino46.de