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Archiv-Artikel

Schläge mit der Holzlatte

Wegen schwerer Körperverletzung steht in Ratzeburg ein 25-jähriger Rechtsorientierter vor Gericht. Der will jedoch die Tat nicht begangen haben. Das Opfer verlor bei dem Holzlattenangriff einen Großteil der Sehkraft

„Ich kann nichts gestehen, was ich nicht getan habe“, erklärte Christian W., angeklagt wegen Körperverletzung vor dem Amtsgericht Ratzeburg. Vor der Mittagspause hatte der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts Christian W. nahegelegt ein Geständnis abzulegen.

Seit gestern werden gleich mehrere Anklagen gegen den rechtsorientierten Christian W. verhandelt. Vor allem aber eine schwere Körperverletzung im Dezember 2007. Schon nach zwei Stunden schlug der Richter einen Deal vor. „Ihre Einlassungen stehen den Aussagen und der Aktenlage sehr entgegen“, betonte er, nur ein Geständnis könne eine Haftstrafe abwenden. Doch Christian W., mit Kurzhaarschnitt, Bit-Pull-Jacke und Thor-Steinar-Pullover, behauptet, Sven W. nicht mit einer Holzlatte schwer verletzt haben.

Die angeklagte Tat ereignete sich Heiligabend 2007. Sven W. traf sich mit Freunden im Ratzeburger „Moonlight“. Unter den Gästen erkannten sie einen stadtbekannten Neonazi. „Kein Bock auf Stress“, dachten sie und gingen zur Bar „L`île“. Sechs Neonazis folgten später – bewaffnet mit Holzlatten. Glaubt man Christian W., der aber nicht mehr wusste, wie die Latte in seine Hand kam, wurden die Latten zum „Selbstschutz“ mitgenommen. Vor der Bar schubste einer der Neonazis Gäste, eine Flasche flog, Christian W., so die Anklage, ging auf Sven W. los und schlug auf dessen Kopf ein. Einen, der Sven W. helfen wollte, griff er ebenso an. „Ich sah die Latte in der Luft und dann meinen Freund neben mir am Boden liegen“, sagte ein Freund von Sven W. im Gerichtssaal.

Die Betroffenen wandten sich damals an die taz. Denn laut Sven W.s Mutter wollte die Polizei am 27. Dezember zunächst keine Strafanzeige aufnehmen, auch vor Ort nahmen die beiden Beamten keine Anzeige auf. Vor Gericht sagte einer der Beamten, keiner hätte Hinweise geben wollen. Nebenkläger Audörsch wies ihn aber auf den eigenen Bericht hin, im dem vermerkt ist, dass zwei Frauen den Namen des Täters nannten und sagten, er habe mit der Latte zugeschlagen.

Seit dem Angriff musste sich Sven W. mehrerer schwerer Operationen unterziehen. Bei 13 Prozent liegt heute die Sehkraft seines linken Auges. Eine bessere künstliche Linse will die Krankenkasse nicht zahlen. Aber nicht nur wegen einer Entschädigung tritt für ihn Rechtsanwalt Dirk Audörsch als Nebenkläger auf. Hier soll auch der politische Tathintergrund berücksichtigt werden. Weitere Verhandlungstage folgen. ANDREAS SPEIT