Lohndumping nach Art des Hauses

Vor einem Jahr hat das Parlament ein „Vergabegesetz“ verabschiedet. Nach diesem müssen Unternehmen, die Staatsaufträge wollen, nach Tarif zahlen. Das Wirtschaftsressort kümmert das wenig und fordert die Bürgerschaft auf, ihr Gesetz zu ändern

Bremen taz ■ Einen „absolut arroganten Umgang mit dem Parlament und seinen Beschlüssen“ wirft der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen jetzt dem Bremer Wirtschaftssenator Hartmut Perschau vor. Der Grund für Böhrnsens Ärger: Vor einem Jahr hatte die Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen das „Landesvergabegesetz“ verabschiedet. Mit diesem sollte garantiert werden, dass sich Unternehmen an Tarife halten, wenn sie vom Staat oder staatlichen Firmen Aufträge bekommen, zum Beispiel für einen Neubau oder die Reinigung von öffentlichen Gebäuden. Anstatt aber für die Einhaltung der Tarif-Vorschriften zu sorgen, will das Wirtschaftsressort nun den Abgeordneten mitteilen, sie hätten gefälligst das Gesetz zu ändern. Eine Unverschämtheit, die die SPD nicht hinnehmen wolle, schäumt Fraktionschef Böhrnsen.

Für die Einhaltung von Tarifen vor allem bei öffentlich vergebenen Bauaufträgen kämpft seit Jahren der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Jägers, Vorsitzender der Bremer IG Bau. Was ihn auf die Palme bringt: Dass die Arbeitslosigkeit unter Bremer Bauarbeitern steigt, während das Land Hunderte von Millionen Sanierungs-Euros für Bauaufträge ausgibt. Die beauftragten Firmen wiederum beschäftigen gern Subunternehmer und die wiederum Subunternehmer. Jägers schildert, wie er Leiharbeiter auf Baustellen fragt, welchen Lohn sie denn bekommen würden und die ausweichend „verstehe nicht“ antworten. Nach ihrem Verdienst befragen könnte man auch Putzkolonnen oder Angestellte von privaten Busunternehmen, die in Konkurrenz zur Bremer Straßenbahn AG Fahrgäste befördern.

Weil es aber seit der Verabschiedung des Gesetzes so ruhig um das Thema gewesen ist, hatten Jägers und Böhrnsen vor kurzem im Parlament nachgefragt, wie das Gesetz eigentlich umgesetzt wird. Die Antwort, die der Senat auf seiner morgigen Sitzung auf Vorschlag des Wirtschaftsressorts geben wird, ist entwaffnend: Das Gesetz sei überhaupt nicht umgesetzt worden, steht in der Sitzungsvorlage. Dafür hätte nämlich zusätzlich eine „Durchführungsverordnung“ erlassen werden müssen. Und die gibt es schlichtweg nicht. Es habe zwar einen Entwurf gegeben, heißt es weiter, die Arbeit daran sei aber eingestellt worden. Ohne dass dies dem gesetzgebenden Parlament mitgeteilt worden wäre.

Wo nichts erlassen wurde, wird auch nichts kontrolliert, stellte sich jetzt heraus. Im Vergabegesetz ist fest gehalten, dass diejenigen, die Aufträge vergeben – also die zuständigen Stellen in Behörden und staatlichen Eigenbetrieben – auch überprüfen sollen, ob es aus tariflicher Sicht mit rechten Dingen zugeht. Aufgrund der SPD-Anfrage, wurden diese „Vergabestellen“ vom Wirtschaftsressort gebeten, doch einmal „kurzfristig“ über die Kontrollen zu berichten. Heraus kam ein Offenbarungseid: „Die Vergabestellen sehen sich fachlich und personell nicht in der Lage, Kontrollen während der Baustellen durchzuführen“, hieß es noch im ersten Entwurf des Wirtschaftsressorts vom 17.2.2004. Dieser Satz fehlt allerdings in dem nachgebesserten neuen Entwurf, der Dienstag auf den Senatstisch kommen soll. Geblieben ist lediglich die Bemerkung, durchgeführte Kontrollen hätten nichts ergeben. Ebenfalls gestrichen wurde der folgende Satz: „Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass es bei der Umsetzung bei einigen Vergabestellen noch Vollzugsdefizite gibt.“ Stattdessen ist jetzt die Rede davon, dass Bremen sich doch die neue CDU/FDP-Landesregierung in Niedersachsen zum Vorbild nehmen und die starke Tarifbindung herausstreichen solle.

Heute wollen die Staatsräte noch einmal über den Antwort-Entwurf beraten.

Klaus Wolschner